|
2017 musste sich Regisseur Zack Snyder aus persönlichen Gründen vom Filmprojekt „Justice League“ verabschieden. Joss Whedon („The Avengers“, Buffy the Vampire Slayer) hatte dann die Fertigstellung übernommen. Der letztliche Film konnte allerdings kaum jemanden überzeugen (Hier unsere Filmkritik zum Whedon-Cut) und wurde zum finanziellen Flop. Schon bald machten Gerüchte die Runde, dass Snyder den Chefs von Warner Bros. während der Produktion eine längere Schnittfassung gezeigt hätte, den sogenannten Snyder-Cut, der damals allerdings auf wenig Gegenliebe stieß. Die Fans dieser Idee sammelten sich dann jedoch im Internet und teilweise auch im echten Leben und verlangten, dass Warner den Snyder-Cut herausbringen möge. Der Hashtag #ReleaseTheSnyderCut wurde geboren und damit eine der größten Fankampagnen der Welt.
Schnitt ins Jahr 2020 und mitten in die Coronavirus-Pandemie, in der viele Studios mit frischen Streamingdiensten an den Start gingen, die einen eigenen Contenthunger mitbrachten. Plötzlich hat der Director's Cut wieder einen Puls und HBO Max verkündet, ihm eine Heimat geben zu wollen. Ein Investment von etwa 70 Millionen Dollar folgte und es wurden auch einige neue Minuten gedreht, darunter welche mit Jared Leto als Joker. Verwirrung gab es, weil es beim DCFandome-Event hieß, dass das finale Werk als vierteilige Miniserie veröffentlicht werden sollte. Im Endeffekt hat man sich aber doch dazu entschieden, das Endprodukt als vierstündigen Film mit sechs Kapiteln plus Epilog zu präsentieren.
Am heutigen 18. März 2021 feiert Zack Snyder's Justice League nun also seine weltweite Premiere. In den USA demnach bei HBO Max, in Deutschland bei Sky Cinema, Sky Q und Sky Ticket.
Die Grundgeschichte von Zack Snyder's Justice League bleibt dem Kinofilm aus dem Jahr 2017 relativ treu. Superman (Henry Cavill) ist im Kampf gegen Doomsday gestorben, was Schockwellen in der ganzen Welt hinterlässt. Bruce Wayne (Ben Affleck) hat eine dunkle Vorahnung bezüglich einer nahenden Invasion. Der mächtige Steppenwolf (Ciaran Hinds) vom Planeten Apokolips kommt auf die Erde, um drei versteckte Mutterboxen zu sammeln, die seinen Herrn Darkseid, einem Zerstörer von tausenden Planeten, auf die Erde bringen sollen. Darkseid hat einst bereits die Invasion der Erde versucht, wurde dabei aber von einer versammelten Großarmee, bestehend aus Atlantern, Amazonen, Menschen und anderen Helden geschlagen.
Batman versammelt zusammen mit Diana Prince alias Wonder Woman (Gal Gadot) eine Reihe von Metahumans um sich, die sich der Gefahr stellen und Steppenwolfs Plan verhindern können. Aquaman (Jason Momoa), The Flash (Ezra Miller) und Cyborg (Ray Fisher) folgen dem Ruf und gründen die Justice League. Doch schafft man es, Steppenwolf aufzuhalten oder braucht man den gefallenen Helden Superman?
Vier Stunden „Justice League“ von Zack Snyder sind natürlich erst einmal eine Ansage, denn jeder Film, egal wie gut oder schlecht, dürfte bei dieser Lauflänge eine Kraftanstrengung für viele Zuschauer werden. Natürlich kann man ihn sich, weil er zuerst im Streaming präsentiert wird, nach freien Stücken einteilen. Ich habe beispielsweise bei der Hälfte eine Pause eingelegt, was wegen der Kapiteleinteilung auch recht einfach möglich war.
Von Beginn an fällt auf, dass es wirklich viel neues Material zu sehen gibt. Die erste Filmhälfte benutzt beispielsweise zum Großteil Material, das in der Kinoversion keinen Platz hatte und dem Film, seiner Comicmythologie und den Figuren mehr Platz einräumt. Dabei orientiert sich Snyder stellenweise an „Der Herr der Ringe“, was den zentralen Konflikt zwischen Erde und Apokolips angeht und im Film von 2017 nur kurz zum Tragen kann. Allerdings gilt es eben, Mutterboxen statt eines magischen Rings in seinen Besitz zu bringen.
Vielmehr Raum erhalten besonders die Figuren Cyborg und Flash, was den Figuren guttut, da wir sie als Zuschauer besser kennenlernen können. Auch die Amazonen aus Themyscira erhalten mehr Screentime als beispielsweise in „Wonder Woman 1984“ und dürfen in ein paar netten Sequenzen glänzen, die an Snyders „300“ erinnern. Insgesamt ist er etwas actionorientierter, düsterer und verzichtet - bis auf wenige Ausnahmen (wie The Flash) - auf Humor. Zudem setzt er natürlich auch sein Markenzeichen, die Slow-Motion-Shots, viel und gerne ein. Man könnte fast meinen, wenn man die Slow-Mo-Szenen in Normalgeschwindigkeit laufen ließe, wäre der Film vielleicht nur drei Stunden lang.
Die lange Laufzeit ermöglicht es zum Beispiel, Steppenwolfs Motivation als Schurke auszuschmücken und ihn viel direkter mit Darkseid kommunizieren und zusammenarbeiten zu lassen. Dem Schurken wurde zudem ein komplettes Redesign verpasst, was in meinen Augen aber manche sich ständig bewegende Schnörkel zu viel aufweist und an den Regiekollegen Michael Bay und dessen „Transformers“ erinnert. Darkseid selbst spielt nun auch als Bedrohung im Hintergrund eine größere Rolle und als langjähriger Comicfan freut mich das natürlich. Diverse Andeutungen und kleine Teaser zeigen, wie viel besser es wahrscheinlich gewesen wäre, hätte man ihn direkt zum Hauptschurken gemacht. Auch andere Figuren aus Darkseids Heimatwelt haben es in den Snyder-Cut geschafft, darunter Desaad (Peter Guinness) und Granny Goodness.
Zack Snyder's Justice League ist deutlich strukturierter, ruhiger und übersichtlicher als beispielsweise Batman v. Superman: Dawn of Justice, den ich als sehr vollgestopft und unnötig kompliziert im Kopf habe (allein der Plan von Lex Luthor hatte viel zu viele Schritte). Trotz vier Stunden Laufzeit halten sich die Kampfszenen im Rahmen. Hier und da gibt es ein paar Kämpfe oder Schlachten zwischen den Helden und Steppenwolf, einen Autounfall, in dem der Flash seine Kräfte demonstrieren kann oder die ausführliche „Origin-Story“ von Cyborg. Doch abgesehen von der Erzählung des ersten Krieges zwischen Erde und Apokolips durch Wonder Woman und dem großen Showdown im letzten Filmdrittel wird man nicht von Actionszenen erschlagen. Zudem sind es dann auch nicht solche Prügeleien wie am Ende von Man of Steel oder „B v. S“, sondern recht saubere Sequenzen, die handwerklich sicherlich gut gemacht sind, wenn man bedenkt, was für ein limitiertes Budget zur Fertigstellung vorhanden war.
Die Helden erhalten jeweils Momente, in denen sie glänzen können. So darf Aquaman gegen Parademons zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Auch Superman ist deutlich besser inszeniert als in der Kinofassung und kann seine ganze Kraft gegen Steppenwolf präsentieren. Das dürfte allen DC-Fans sicherlich gefallen und ist vollkommen okay.
Persönlich holt mich aber diese Version niemals so sehr ab wie zum Beispiel die „Avengers“-Filme von Marvel, was ich schade finde, weil ich beide Comicuniversen nun schon über 20 Jahre lang verfolge. Während ich bei „Avengers: Infinity War“ und „Avengers: Endgame“ ständig Gänsehaut hatte und sogar Tränen in den Augen, nehme ich die Action in „Justice League“ anerkennend zur Kenntnis, fiebere aber nur bedingt mit. Aus den Comics bin ich es gewohnt, dass die DC-Figuren eher wie Götter angelegt sind, doch eine Gefahr für Leib und Leben spürt man für die Justice League selten. Nicht mal bei Batman, der ja eigentlich nur ein reicher Typ im Kostüm ist, glaubt man, dass er irgendwann in Gefahr schwebt, weil immer irgendwer rettend einschreitet oder Strahlen abwehrt. Aus den Comics ist mir die Bat-Gott-Persona bekannt, die eben immer gewinnt, wenn sie genug Vorbereitungszeit hat, aber in einer Filmversion funktioniert das nur bedingt. Da hat die Figur dann häufig eine eingebaute Plot Armor, denn wenn ein Superman oder Steppenwolf ernst machen würde, wäre Batman wohl schnell Geschichte. Insgesamt weiß ich nicht, was ich mit der „Justice League“-Version von Batman/Bruce Wayne anfangen soll. Sie gibt mir relativ wenig. Es gibt kaum herausragende Szenen oder solche, die mich als Zuschauer beeindrucken. Wayne sammelt zwar die Justice League zusammen, ihm fehlt es aber sonst etwas an eigener Agenda fernab der Weltrettung, die natürlich der Fokus des Films ist.
Eine Entwicklung, die ich außerdem nicht ganz nachvollziehen kann, ist, warum man Superman ständig in die Schurkenrolle drücken will. Das gilt aber nicht nur für Snyder, sondern viele DC-Medien abseits der Hauptcomicreihen. Hier aber vor allem in der bereits aus der Kinofassung bekannten Wiederbelebungssequenz, aber auch im Epilog des Films, der eine mögliche düstere Zukunft zeigt.
In Snyders bisheriger Arbeit mit der Figur Superman werde ich den Eindruck nicht los, dass der Filmemacher den Kern der Figur nicht richtig versteht oder aber eben sehr limitiert sieht, was leider auch für Batman gilt (Stichwort: Töten von Gegnern). Es wirkt bisweilen so, als hätte er nur Frank Millers „The Dark Knight Returns“ gelesen (und vielleicht „Injustice“) und baut darauf seine Charakterisierungen dieser beiden DC-Eckpfeiler auf. Das sieht man, meiner Meinung nach, auch in einer Epilogeinstellung bei Batman, in der er den Bat-Tank aus Frank Millers Vorlage „TDR“ einbaut - nur, weil er es kann.
Nachfolgend geht es etwas mehr in den Spoilerbereich. Weiterlesen auf eigene Gefahr! (siehe Spoiler)
Eine große Veränderung im Vergleich zur Kinofassung ist, wie offen der Snyder-Cut mit einem Cliffhanger endet und Andeutungen in Richtung Zukunft macht. Darkseid darf im Film in diversen Träumen erscheinen und Unheil anrichten, so etwa bei Batman und Cyborg. Snyder hatte ursprünglich mehrere weitere Filme geplant, die auch schon mit Storyboards geplant wurden. Manches davon sieht man schon im Verlauf des Filmes. Denn natürlich gelingt es, Steppenwolf zu besiegen. Superman, Aquaman und Wonder Woman schicken den geköpften Schurken direkt vor Darkseids Schoß. Allerdings hat Steppenwolf das entdeckt, was Darkseid seit Ewigkeiten sucht: die Anti-Life-Equation (aka Anti-Leben-Formel), die sich auf der Erde befindet. Also beschließt Darkseid, einen zweiten Kriegsversuch gegen die Erde in die Wege zu leiten. Zwischendrin sieht man, in besagten Vision-/Traumsequenzen, dass Darkseid Wonder Woman und Aquaman töten kann.
In einem neuen Epilog, der einen Albtraum von Batman darstellt, sind nur noch Batman, Mera (Amber Heard), Cyborg, Flash, Deathstroke (Joe Manganiello) und der Joker (Jared Leto) übrig, um gegen einen invasierenden Darkseid und einen schurkischen Superman vorzugehen. Dass Batman zur Zusammenarbeit mit dem Joker gezwungen wird, deutet schon darauf hin, wie verzweifelt er sein muss.
Zudem werden noch mehrere neue potentielle Mitglieder der Justice League ganz am Ende des Filmes angeteasert. Einer ist klein und schlau, der andere grün.
Spoiler Ende
Zack Snyder's Justice League präsentiert eine epischere, längere und auch sehenswertere Version von „Justice League“, allerdings wohl auch eine, die Skeptiker nicht unbedingt überzeugen dürfte. Je nachdem, ob der Regisseur Wort hält und sich tatsächlich von DC-Filmen zurückziehen wird, werden die Zuschauer zwar mit einer Art Abschluss, aber auch vielen Teasern und Andeutungen entlassen, die bestenfalls Lust auf mehr machen und schlimmstenfalls eine höhnische Zunge herausstrecken, weil sie nie fortgesetzt respektive zu Ende gebracht werden. Man kann damit seinen Spaß haben, wenn einem diese Art und Interpretation des DC-Universums gefällt. Perfekt ist das aber keinesfalls.
Das Endresultat ist gleichzeitig eine beeindruckende Demonstration von Fanmacht, die jedoch auch gefährlich werden kann, wenn man als Studio oder Kreativer bei jedem Film/Serie/Produkt, das eine laute Minderheit verprellt, militanten Änderungsdruck zu spüren bekommt. Ähnliche Ansätze sieht man auch in Teilen des Game of Thrones- oder „Star Wars“-Fandom, bei denen teilweise merkwürdige Onlinepetitionen gestartet werden, um Filme oder Staffeln ungeschehen zu machen.
In gewisser Weise ist der Snyder-Cut nur das konsequente Ergebnis von vielen Jahren konfusen Entscheidungen im DCEU und bei Warner Bros., bei welchen zwar Pläne geschmiedet, diese aber immer wieder über den Haufen geworfen wurden. So sollte vor einigen Jahren beispielsweise auch Cyborg seinen eigenen Film erhalten oder der Flash-Solofilm hätte schon längst im Kino sein sollen. Das soll nicht heißen, dass man als Studio nicht flexibel sein darf. Das muss man sogar, wenn ein Film so floppt, wie eben zum Beispiel „Justice League“ im Kino - wobei andererseits das Studio selbst sicherlich auch seinen Anteil daran trägt. Aber man kann so über kurz oder lang das Vertrauen der Fans verlieren. Das scheint bei den Marvel-Studios unter Kevin Feige deutlich besser und erfolgreicher zu laufen. Inzwischen scheint DC sich ohnehin vom Gedanken eines einzigen Shared Universe aka DCEU verabschiedet zu haben und präsentiert lieber ein offenes Konzept mit „Multiversen“ und Black-Label/Elseworlds-Filmen wie „Joker“, „The Batman“ und „The Flash“.
Hier abschließend noch ein Trailer zu „Zack Snyder's Justice League“:
Was bedeutet eigentlich „TBA“ in der Anzeige bei Episodenführern?