Wednesday (Jenna Ortega, Stuck in the Middle) und Pugsley (Isaac Ordonez, „A Wrinkle in Time“), die beiden Kinder der Addams Family, haben kein leichtes Schulleben in der neuen Netflix-Serie Wednesday: Nachdem eine Truppe böser Buben den armen Filius mit einem Apfel im Mund in einen Spind gesperrt hat, lässt Wednesday bei deren Schwimmtraining ein paar Piranhas im Becken frei.
Dies veranlasst ihre Eltern Morticia (Catherine Zeta Jones, Queen America) und Gomez (Luis Guzman, Godfather of Harlem), das Töchterlein von der Nancy Reagan High School zu nehmen und stattdessen auf die wesentlich besser geeignete Nevermore Academy zu schicken, die unter anderem von jungen Vampiren, Werwölfen und auch Sirenen wie Bianca (Joy Sunday, „Bad Hair“) besucht wird und unter der Leitung von Direktorin Larissa Weems (Gwendoline Christie, Game of Thrones) steht.
Die Nevermore Academy ist ohnehin eine alte Familientradition bei den Addams, da sich Morticia und Gomez hier einst kennengelernt haben. Trotz der heimeligen Morbidität dort hat Wednesday (der Papa Gomez das allerdings recht schnell enttarnte eiskalte Händchen als heimlichen Anstands-Wauwau mitgeschickt hat) anfänglich ihre Probleme, sich einzugewöhnen: Ihre quirlige neue Zimmernachbarin Enid (Emma Myers, „Girl in the Basement“) nervt sie mit ihrer Farbenfreudigkeit, die schon genannte Bianca erweist sich als echte Schulpest und die Therapiesitzungen bei Dr. Kinbott (Riki Lindhome, „Knives Out“) tragen ebenfalls nicht gerade zum düsteren Wohlbefinden des Neuzugangs bei.
Hinzu kommen mysteriöse splitterhafte Visionen vorwiegend von geheimnisvollen Todesfällen, die sich Wednesday nicht erklären kann. Da hilft es auch nicht, dass gleich mehrere männliche Mitschüler recht angetan von der spröden Gothic-Schönheit sind. Einziger Lichtblick ist der junge Tyler (Hunter Doohan, Your Honor), der in der nahegelegenen Kleinstadt Jericho im dortigen Kaffeehaus arbeitet und ihr beim Angriff einer Clique von als Pilgervätern verkleideten Dorfjugendlichen behilflich ist. Dummerweise ist Tyler auch der Sohn des knorrigen Sheriffs Galpin (Jamie McShane, Southland), der Addams-Papa Gomez vor vielen Jahren unter Mordverdacht stellte und voller Vorurteile steckt. Zusätzlich muss sich Wednesday mit dem seltsamen Verhalten ihres übernatürlich begabten Mitschülers Rowan (Calum Ross, „Kill“) auseinandersetzen, der in ihr insgeheim eine Bedrohung sieht.
Die Addams-Family ist wieder da!
Die Serie The Addams Family, die es zwischen 1964 und 1966 auf insgesamt 64 in Schwarzweiß gedrehte knapp halbstündige Folgen brachte und auf einem erstmals 1938 erschienenen Comic Strip des Zeichners Charles Addams basierte, entwickelte sich ähnlich wie das berühmte Star Trek erst im Nachhinein zu einem TV-Kultklassiker: Ab 1973 folgten mehrere Zeichentrick- und Realfilm-Neustarts des Franchises, zuletzt 2021 mit „The Addams Family 2“ die Fortsetzung der 2019 gestarteten computeranimierten Variante.
Insbesondere die beiden von Barry Sonnenfeld („Men in Black“) 1991 und 1993 inszenierten Kinofilme mit Anjelica Huston („Prizzis Honor“) als Morticia und dem bereits verstorbenen Raul Julia („Street Fighter: The Movie“) erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. Diese verhalfen übrigens der seinerzeit elf beziehungsweise 13 Jahre alten Christina Ricci („Monster“) als Wednesday Addams zu ihrer späteren Bekanntheit: In Wednesday ist sie übrigens als Hauslehrerin Marilyn Thornhill zu sehen.
Neuauflage aus prominenter Hand
Bereits 2020 war Wednesday als zunächst titelloses Projekt rund um die „Addams Family“ angekündigt worden, das vom berühmten Filmemacher und Franchise-Fan Tim Burton (zuletzt Regisseur der 2019 herausgekommenen Disney-Realverfilmung „Dumbo“) realisiert werden sollte. Burton hatte seinerzeit die Regie des ersten der beiden genannten Kinofilme aufgrund seiner Verpflichtung für „Batman Returns“ an seinen Kollegen Barry Sonnenfeld abgeben müssen, der dann auch die Fortsetzung inszenierte.
Im Falle des nunmehrigen neuen Projektes machten für eine Weile Gerüchte die Runde, die Rolle des Gomez gehe an Johnny Depp („Fluch der Karibik“-Filmreihe), was sich bekanntlich jedoch nicht bewahrheitete. Stattdessen entschied man sich für den eher grobschlächtig aussehenden Luis Guzman, der dem Gomez in der Comic-Strip-Vorlage deutlich näherkommt als so gut wie alle seine Vorbilder.
Ab 2021 wurde dann auch der Titel der neuen Serie bekannt, die neben dem restlichen Produzentenstab, bestehend aus Tim Burton und Gail Berman (Firefly von Alfred Gough und Miles Millar als Showrunner betreut werden sollte: Die beiden wurden durch ihre langlebige DC-Comicverfilmung Smallville über die Jugendabenteuer des berühmten „Superman“ zu bekannten Gesichtern in der TV-Welt. Altmeister Tim Burton nahm übrigens für die ersten vier Folgen der achtteiligen ersten Serienstaffel (der bei Erfolg mindestens eine weitere folgen wird) auf dem Regiestuhl Platz.
Zündender Serienpilot
Die Pilotfolge macht erwartungsgemäß keinen Hehl aus dem, was den Zuschauer in den nachfolgenden sieben Episoden erwarten wird. Die zahlreichen wohlplatzierten Gags machen Vergnügen (in einer herrlichen Szene versendet Wednesday eine Mausefalle an eine Verlegerin, die ihr literarisches Werk abgelehnt hat), und obwohl es ein paar Parallelen zu anderen berühmten Schulgeschichten gibt (der Name Hogwarts geht dem Rezensenten durch den Sinn), erweckt das Ganze dabei doch nie den Anstrich einer Nachahmung.
Ein angenehm prickelndes Mystery-Element erhält das Ganze durch die rätselhaften Visionen Wednesdays, die auf einen Handlungsstrang fernab der sonstigen Albereien in der Serie hindeuten. Bereits nach wenigen Minuten des Pilotfilms jedenfalls nimmt die skurril-morbide Welt der „Addams Family“ den geneigten Betrachter gefangen und weckt Vorfreude auf die weiteren Folgen, in denen es unter anderem auch ein Wiedersehen mit dem kahlköpfigen Glühbirnen-affinen Onkel Fester (diesmal gespielt von Fred Armisen, bekannt aus der bei Apple+ veröffentlichten Serie Schmigadoon!) geben wird.
Allerdings braucht man schon einen Humor der etwas spezielleren Sorte, wenn man sich an Wednesday erfreuen will. Dieser ist dem Rezensenten zwar zu eigen, doch will er andererseits den Tag nicht vor dem Abend loben und vergibt aus diesem Grund vorerst einmal vier von fünf eiskalten Händchen.
Hier abschließend noch der Trailer zur gerade neu gestarteten Serie „Wednesday“ beim Streamingdienst Netflix: