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The Leftovers 3x08

The Leftovers 3x08

Episode Staffel 3, Episode 8
(The Leftovers 3x08)
Deutscher Titel der Episode Das Buch Nora
Titel der Episode im Original The Book of Nora
Erstausstrahlung der Episode in den USA Sonntag, 4. Juni 2017 (HBO)
Erstausstrahlung der Episode in Deutschland Montag, 4. September 2017
Regisseur Mimi Leder

Bevor Nora (Carrie Coon) das LADR besteigt, verabschiedet sie sich von ihrem sterbenskranken Bruder Matt (Christopher Eccleston). Gemeinsam schwelgen die beiden in Erinnerungen an ihre beschwerliche Kindheit.

Jahre später sucht Kevin (Justin Theroux) Nora in Australien. Sie lebt dort unter dem Namen Sarah und verdingt sich als Taubenzüchterin. Psychologisch beraten lässt sie sich per Fernsprecher von Laurie (Amy Brenneman), die offensichtlich doch keinen Selbstmord begangen hat.

Nachdem Kevin Nora gefunden hat, versucht er, sie zurückzugewinnen, wobei er jedoch nicht die optimale Taktik einsetzt.

Bereits vor dem Start von The Leftovers vor drei Jahren war Serienschöpfer Damon Lindelof auffällig bemüht darum, zu versichern, dass es im Laufe oder am Ende der Serie keine Erklärung für ihr zentrales Mysterium, die Sudden Departure, oder all die anderen großen und kleinen Mysterien geben werde. So ganz hat er das nun nicht eingehalten, wie die Finalepisode The Book of Nora beweist. Darin liefert Nora (Carrie Coon) eine Erklärung dafür, wo all die verschwundenen Menschen gelandet sind. Jedoch wissen wir nicht, ob diese auch stimmt.

Bulletproof vests, hugs from holy men, tattoos to cover up

Die Abschlussepisode dreht sich beinahe ausschließlich um Nora, was angesichts der vielen Merkwürdigkeiten dieser dritten Staffel nicht wirklich überrascht, in dieser konsequenten Form aber auch nicht hätte erwartet werden können. Jedoch ist sie neben Kevin (Justin Theroux) die wichtigste Figur der gesamten Serie, erkennbar auch daran, dass sie nun in allen drei Staffeln das letzte Wort hatte. Hier lautet es: „I'm here.“ So schlicht diese Feststellung auch sein mag, so folgerichtig und wegweisend ist sie für eine Figur, die so zerrissen und verzweifelt war wie Nora „Cursed“, alleinige Hinterbliebene ihrer Familie.

Zu ebenjener Familie will sie zu Beginn der Episode endlich reisen, weshalb sie die LADR-Betreiber beinahe schon dazu nötigt, sie in ihre furchteinflößende Maschine steigen zu lassen. Eine der beiden anleitenden Ärztinnen ist davor immer noch skeptisch, ob Nora überhaupt die Wahrheit sagt bezüglich ihrer Motivation. Deshalb wird die Reisewillige dazu gezwungen, im Abschiedsvideo die Namen ihrer Kinder auszusprechen - die erste herzzerreißende Szene von vielen in diesem Finale. Die nächste folgt sogleich, als sich Nora mit einer Partie mad libs von ihrem sterbenskranken Bruder Matt (Christopher Eccleston) verabschiedet.

Sie teilen dabei Erinnerungen an ihr gemeinsames Aufwachsen, das von vielen Schicksalsschlägen gekennzeichnet war, und sie zu den gegensätzlichen Menschen machte, die sie heute sind. Er der unbändig Gläubige, sie die von der Ratio Angetriebene - oder, wie Matt sie nennt, „the bravest girl on earth“. Wem da nicht die Tränen kommen, der dürfte in emotionaler Hinsicht ein ziemlich cooler Hund sein. Aber ist Nora wirklich so mutig, wie Matt das behauptet? Wir wissen lediglich, dass sie in die Maschine gestiegen ist, jedoch nicht, ob sie den Prozess auch wirklich bis zum Ende ausgehalten hat.

Im Serienfinale von %26bdquo;The Leftovers%26ldquo;... © HBO
Im Serienfinale von %26bdquo;The Leftovers%26ldquo;... © HBO

Davor setzt Regisseurin Mimi Leder einen gekonnten Schnitt, der vielleicht zu keiner Serie so gut passt wie zur ambivalentesten von allen, The Leftovers. Es vergeht eine ganze Episode, bis wir durch Nora Aufklärung darüber erhalten, was mit ihr passiert ist. Darin ereignen sich allerlei weitere Absonderlichkeiten, die allesamt mit den Themenfeldern Lüge und Wahrheit in Zusammenhang stehen. Fortan sehen wir nur noch die gealterte Nora, die sich nun Sarah nennt, im australischen Nirgendwo Brieftauben züchtet und sehr viel Fahrrad fährt.

Love is in the air

Ihr Alltag mag nicht der aufregendste sein, dafür wirkt Nora zufrieden. Erst als die Nonne, für die sie arbeitet, von Kevins Besuch berichtet, steigt bei ihr schlagartig das Anspannungslevel. Nicht zuletzt deshalb hat sie sich hierher verkrochen, weil sie von ihrem alten Leben den größtmöglichen Abstand finden wollte. Und nun bricht es anhand der Person wieder ein, die wohl den mächtigsten Eindruck bei ihr hinterlassen kann. Auch Kevin bedient sich einer Lüge, wobei nicht ganz klar ist, wie er sie Nora zu verkaufen gedenkt. Er behauptet einfach, sie beide würden sich nur flüchtig kennen, hätten nicht all das durchgemacht, was normalerweise für drei Lebzeiten gereicht hätte.

Entsprechend wütend reagiert Nora, wenn auch zwiegespalten. Nachdem sie Kevin weggeschickt hat, sucht sie den Kontakt zu Laurie (Amy Brenneman), ihrer Fernpsychiaterin. Neben der Erkenntnis für uns Zuschauer, dass sich Laurie nicht umgebracht hat, gewinnt Nora die Einsicht, dass sie zu der Hochzeit, von der sie zu diesem Zeitpunkt noch denkt, dass sie ein Tanz ist, mit Kevin gerne gehen möchte. Eingestehen kann sie sich das gegenüber Laurie jedoch nicht, wobei eine der witzigsten line readings herausspringt, die Carrie Coon in dieser Serie je fabriziert hat: „I do not want to go to the fucking dance!

Eine kaputte Badezimmertür und ein erholsames Bad später, fährt Nora im Schein ihrer Fahrradlampe ins Dorfzentrum, wo die Hochzeitsfeier bereits in vollem Gange ist. Kevin hat das Pärchen beim Trinken an der Hotelbar kennengelernt und sich mit seinem Charme sogleich eine Einladung gesichert. Für Nora und uns Zuschauer spielt er nun den Lückenauffüller: Laurie und John sind immer noch verheiratet und leben in Jarden ( das niemand mehr „Miracle“ nennt). Jill hat einen Ehemann und eine Tochter. Tommy ist geschieden, Kevin senior mit 91 noch putzmunter, Matt tot - Nora war nicht bei der Trauerfeier - und Michael prominentes Mitglied der Kirche.

...jagt eine bewegende Szene die nächste... © HBO
...jagt eine bewegende Szene die nächste... © HBO

Der nach einem Herzinfarkt mittlerweile gebrechlicher wirkende Kevin behauptet von sich, nicht wieder geheiratet zu haben, weil er auf Nora warten wollte. Welche Ausmaße diese Obsession annahm, erfahren wir erst in der Schlussszene. Davor dürfen er und Nora noch miteinander tanzen, woraus Regisseurin Leder eine atemberaubend intime und bewegende Szene macht. Die Augen des wiedervereinten Paares füllen sich schnell mit Tränen, die alte Zuneigung ist gleich wieder da. Aber Kevin bleibt bei seiner Geschichte und ruiniert damit den Moment. Was treibt ihn nur an?

Just erase it all

Er will die problembeladene gemeinsame Geschichte der beiden vergessen machen, weil er glaubt, dadurch einen Neuanfang zu schaffen. Aber Nora will keinen Neuanfang, sie will Kevin, mag diese Beziehung auch noch so dysfunktional gewesen sein. Hierzu muss er aber wenigstens bereit sein, sie nicht komplett zu belügen, und weil er das nicht schafft, lässt sie ihn alleine auf der Tanzfläche stehen, umringt von sorglos Feiernden. Sie dagegen landet nach einem Fahrradsturz im Schmutz, findet den vertriebenen Sündenbock und befreit ihn von seinem Joch. Eine eindeutigere Metapher gab es in dieser Serie wohl nie.

Am Ende von The Leftovers sitzen sich zwei unglaublich beschädigte Menschen gegenüber, die endlich erkannt haben, dass sie nur zusammen so etwas wie Glück oder Bedeutung erfahren können. Nora realisiert das erst, nachdem sie Kevin von ihren Erfahrungen aus der Parallelwelt erzählt hat, in die sie das LADR teleportiert hat. Dort hätten lediglich zwei Prozent der Weltbevölkerung überlebt. Nach einer beschwerlichen Schiffsreise von Australien nach New York - Piloten seien in dieser Welt Mangelware - hätte das einseitige Wiedersehen mit ihrer Familie zu der Erkenntnis geführt, dass sie keinen Platz mehr in ihrer Mitte gehabt habe.

Zunächst hört sich das innerhalb des serienspezifischen Universums nicht ganz unglaubwürdig an, allerdings stellt es sich immer stärker als Fantasiekonstrukt heraus, je mehr man darüber nachdenkt. Hätte der Erfinder der Maschine, den Nora angeblich aufsuchte, damit er sie wieder zurück teleportierte, nicht ein blühendes Geschäft mit seiner Technologie machen können? Hätte sie nicht eingesetzt werden können, um sämtliche Ungewissheit über die Departure zu eliminieren? Und müsste nicht ein unerträglicher Klotz des schlechten Gewissens auf Nora lasten angesichts der revolutionären Erkenntnisse, die sie mit sich trägt?

...und die nächste. © HBO
...und die nächste. © HBO

Wie die Traumwelt oder das Zwischenreich, in das Kevin mehrmals eintauchte, handelt es sich bei Noras Geschichte wohl um eine psychologische Konstruktion, die sie schützen soll. Wie anders soll sie auch damit umgehen, im letzten Moment einen Rückzieher gemacht und ihre Kinder im Stich gelassen zu haben? Wir alle legen uns Fehltritte und Missetaten so zurecht, dass wir es auch am nächsten Morgen noch schaffen, in den Spiegel schauen zu können. Außerdem hat Nora ja schon die Isolation gewählt, um so für ihre Sünde - oder sollen wir es Fehler nennen? - zu büßen.

A ghost who had no place

Vielleicht kann sie Kevin deswegen leichter verzeihen, als er endlich mit der Wahrheit herausrückt. Seit Jahren schon nutzt er seinen gesamten Urlaub, um in Australien nach ihr zu suchen. Seit Jahren kommt er sich wie ein Irrer vor, der wildfremden Leuten ein Bild zeigt und sie fragt, ob sie die darauf Abgebildete gesehen hätten - und das in einer Welt, in der sich Millionen Menschen von einem Moment auf den nächsten einfach in Luft auflösten. Aus dem Nora-großen Loch in seiner Seele hat er gelernt, dass er sie so akzeptieren muss, wie sie ist. Und dazu gehört, ihr die Lüge zu glauben, die sie ihm mutmaßlich auftischt.

I believe you“ sind die schlichten Worte, die es braucht, um Nora wieder für sich zu gewinnen. In ihnen kulminiert, worum es im Kern der Serie geht: Um den Glauben, dem wir anhängen, um unsere Trauer, unsere Pein auszuhalten. Dinge geschehen einfach, geliebte Menschen sterben zu früh, äußerlich gesunde und glückliche Menschen nehmen sich das Leben, Menschen töten ihre Mitmenschen. Für viele dieser Fälle - für die Tatsache, dass wir überhaupt sterben müssen, dass es überhaupt so viel Schmerz und Leid gibt - gibt es keine Erklärungen, nur die Bewältigungsmechanismen, die wir uns dafür zurechtgelegt haben.

Damon Lindelof, Tom Perrotta, Max Richter und alle ihre Kollegen haben daraus eine der besten Serien der vergangenen Jahre, vielleicht sogar eine der besten Dramaserien überhaupt gemacht. Sie ist so bewegend, so emotional, dass sich manche Autorenkollegen dazu veranlasst sahen, zutiefst persönliche Essays darüber zu verfassen. Auch bei mir war das so, zum Beispiel in der Review zur Episode Two Boats and a Helicopter.

Wenn die Kunst es schafft, so sehr zu bewegen wie hier, dann hat sie nicht nur ihren Zweck erfüllt, dann hat sie etwas für die Ewigkeit geschaffen. Ich werde mir The Leftovers wieder und wieder ansehen; nicht nur, weil mich die Serie im innersten Kern meiner Seele berührt, weil sie zu den existenzialistischen Fragen unseres Lebens vordringt, sondern weil sie auch wahnsinnig unterhaltsam, in der zweiten und dritten Staffel sogar wunderbar witzig ist. Das Autorenteam, die Regisseure, das Ensemble und alle anderen Mitarbeiter haben hier auf beeindruckende Weise miteinander harmoniert. Dafür gebührt ihnen nicht nur riesiges Lob, sondern auch tiefe Dankbarkeit.

The Leftovers 3x08 Trailer

Schauspieler in der Episode The Leftovers 3x08

Darsteller   Rolle
Justin Theroux …………… Kevin Garvey
Carrie Coon …………… Nora Durst
Amy Brenneman …………… Laurie Garvey
Christopher Eccleston …………… Matt Jamison
Chris Zylka …………… Tom Garvey (credit only)
Kevin Carroll …………… John Murphy (credit only)
Jovan Adepo …………… Michael Murphy (credit only)
Katja Herbers …………… Dr. Eden
Alison Bell …………… Aggie
Linda Cropper …………… The Nun
Paul Hallett …………… Man in Leather Jacket
Victoria Haralabidou …………… Dr. Bekker
Damian Hill …………… Eddie
Andrew Hondromatidis …………… Drunk Groomsman / Russell

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