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Zwar sind knapp anderthalb Jahre vergangen, seit die letzte neue Episode von The Leftovers ausgestrahlt wurde, aber es dauert nicht lange, bis sich das alte Gefühl, dieser wohlige Schauer, in der Auftaktepisode der dritten und letzten Staffel wieder einstellt. Für verschiedene Zuschauer werden verschiedene Szenen diesen Service liefern. Bei mir breitete es sich schon gleich am Anfang in der Magengegend aus. Zurück war dieses Gefühl, das nur diese eine Serie auslösen kann, weil sie so ist wie nichts vorher - so einzigartig und beklemmend und witzig und mitreißend.

All are welcome

Der durchschlagende Erfolg der zweiten Staffel, die bei manchem Kritiker als eine der besten in der ruhmreichen Geschichte von HBO-Dramaserien gilt, dürfte dafür verantwortlich sein, dass sich die Drehbuchautoren Damon Lindelof und Patrick Somerville auch zu Beginn der dritten auf denselben dramaturgischen Kniff verlassen. Statt direkt in die eigentliche Geschichte einzutauchen, entführen sie uns in eine Welt von vor mehreren Jahrhunderten. Dieses Mal findet das cold open im 19. Jahrhundert statt und zeigt eine Gläubige, die mit wachsender Verzweiflung auf die Wiedergeburt ihres Herrn wartet.

Ob sie ihre Erlösung erfährt, wird uns vorenthalten. Wahrscheinlich ist es indes nicht, hätten die Geschichts- oder zumindest die religiösen Bücher doch sicherlich darüber berichtet. Stattdessen könnte es nun einen neuen Erlöser geben, wie schon der Titel dieser Episode unschwer erkennen lässt: The Book of Kevin. Bevor wir jedoch in den Handlungsbogen der Hauptfigur eintauchen, finden wir heraus, was aus den Guilty Remnant geworden ist, die Jarden am Ende der zweiten Staffel überrannt hatten. Mit ihnen wurde kurzer Prozess gemacht: Eine von einer Drohne abgeworfene Bombe riss Evie (Jasmin Savoy Brown), Meg (Liv Tyler) und Konsorten in den sicheren Tod.

Drei Jahre später ist der Ort dieses Anschlags aus unerfindlichen Gründen immer noch nicht geräumt. Kevin Garvey (Justin Theroux) ist jetzt Polizeichef von Jarden aka Miracle, und hat offensichtlich als eine seiner Amtshandlungen dekretiert, dass der Wallfahrtsort fortan offen für alle Besucher sein soll. Wie sich diese Politik in der Praxis niederschlägt, zeigt die folgende Szene, in der sein Sohn Tommy (Chris Zylka) - er ist jetzt auch Polizist - versucht, die Jünger des Kults um den verschwundenen Gary Busey einzuhegen. Kevin fährt ihnen gegenüber eine andere Strategie, er praktiziert gewissermaßen Appeasement.

Kevin (Justin Theroux) betreibt eine ziemlich fragwürdige Freizeitbeschäftigung. © HBO

Es scheint ruhig zuzugehen in seinem Zuständigkeitsbereich, unter der Oberfläche brodelt aber schon der nächste, von religiösem Eifer befeuerte Konflikt. Mittlerweile sind beinahe sieben Jahre vergangen, seit die Departure zwei Prozent der Erdbevölkerung verschwinden ließ. Der 14. Oktober steht kurz bevor, weshalb die Predigten des nach wie vor sehr emsigen Pfarrers Matt (Christopher Eccleston) so großen Zuspruch erfahren, dass der Platz in seiner Kirche nicht ausreicht, um alle Antwortsuchenden unterzubringen.

Divine intervention

Matt hat sich nicht verändert, seit wir ihn zum ersten Mal als rastlosen Missionar kennengelernt haben. Die vielen Wunder, die in Miracle stattfanden, sind für ihn ein Zeichen dafür, dass weitere bevorstehen. Und welches Datum könnte sich dafür besser eignen als das siebenjährige Jubiläum, das in der Bibel große Signifikanz hat. Der Predigt folgt die Ankündigung einer Taufzeremonie, die in ebenjenem Becken abgehalten werden soll, das in der letzten Staffel noch durch ein Erdbeben trockengelegt worden war - was dem selbstmordbereiten Kevin zum ersten Mal das Leben rettete.

Das schier unglaubliche Ereignis spielt eine gewichtige Rolle in dieser Episode, gehört es doch unumrückbar zum neuen Evangelium, das Matt zusammen mit Michael (Jovan Adepo) und John (Kevin Carroll) in aller Heimlichkeit schreibt. Darin wollen sie die Auferstehungsgeschichte eines neuen Jesus Christus erzählen, der auf den Namen Kevin Garvey hört. Bekanntlich ist dieser Kevin nicht nur einmal von den Toten auferstanden, sondern gleich drei Mal, wie uns mehrere kleine Recaps innerhalb der Episode in Erinnerung rufen.

So folgerichtig dieser Vorgang auch sein mag, so überraschend kam er für mich - und das im positivsten aller erdenklichen Sinne. Es ist ein starkes Stück von Lindelof und Konsorten, Kevin in den Augen seiner Jünger, von denen er eigentlich gar nichts wissen will, zum Wiedergänger des Messias auf Erden zu machen. Unterlegt sind diese atemberaubenden Passagen mit dem exquisiten Score von Max Richter, der dieses Mal weniger eigene Kompositionen einbringt und stattdessen auf einen Soundtrack setzt, der bisweilen verstörend, bisweilen erhebend wirkt.

Eine gealterte Nora firmiert in Australien unter Sarah (Carrie Coon). © HBO

Kevin ist nicht der einzige, der Matts Mission mit größtmöglichem Entfremden begegnet. Auch seine eigene Ehefrau Mary (Janel Moloney) hat genug von seinem unverrückbaren Wunderglauben, weshalb sie beschließt, mit dem Wunderbaby Noah nach Mapleton zurückzukehren. Über diese Nachricht, von Kevin im Eifer des Gefechts überbracht, scheint Matt aber nicht sonderlich traurig zu sein. Er geht voll und ganz in seiner Aufgabe auf, und irgendwie kann man ihm seinen Enthusiasmus gar nicht böse nehmen, weil er mit so viel Euphorie dabei ist.

Love is in the air

Neben der Glorifizierung Kevins zum Sohn Gottes gehen allerlei weitere Merkwürdigkeiten in Jarden vor. John betreibt nun gemeinsam mit seiner neuen Freundin Laurie (Amy Brenneman) ebenjenes Weissagergeschäft, das er in der letzten Staffel noch mit Feuereifer bekämpft hatte. Den Ertrag steckt er nicht etwa in die eigene Tasche, sondern vernichtet ihn postwendend. Auf der Überraschungsparty für Tommy taucht überdies Jill (Margaret Qualley) auf, die mittlerweile zum Studieren ausgezogen ist. Sie stellt gegenüber Kevin die berechtigte Frage, wo denn Baby Lily abgeblieben sei. Eine Antwort bleibt er schuldig.

Dass die Kleine fehlt, ist nur an Noras sehnlsuchtsvollen Blicken abzulesen und an der Zuwendung, die sie dem kleinen Noah zuteil werden lässt. Nora (Carrie Coon) ist es auch, der die letzte Szene von The Book of Kevin gehört - und damit der größte WTF-Moment der Episode. Wir befinden uns nun ganz offensichtlich - es lässt sich am Akzent der Kirchenfrau erkennen - in Australien. Eine Taubenzüchterin sammelt ihre Tiere ein und transportiert diese mit dem Fahrrad zu einem Kirchengelände. Wir sehen sie währenddessen nur von hinten. Dort angekommen, wird sie als Sarah angesprochen und gefragt, ob sie einen Kevin kenne. Eine sichtlich gealterte Nora verneint das.

Sind wir also in einer alternativen Zeitlinie? Spielt der in Australien stattfindende Handlungsbogen in der Zukunft? Wird die Geschichte der sieben ausstehenden Episoden auf unterschiedlichen Zeitebenen erzählt? Werden wir darauf jemals eine Antwort bekommen? Das Gute an The Leftovers ist ja, dass die Serie keine einzige dieser Fragen beantworten muss, und trotzdem so emotional mitreißend sein kann wie keine andere. Die Auftaktepisode zur dritten und letzten Staffel beweist das eindrucksvoll.

Egal, ob Dean (Michael Gaston) nun wirklich existierte, ob Kevin nur noch mit morgendlichen Erstickungsspielchen existieren kann oder die Guilty Remnant kaltblütig ermordet wurden - uns stehen bewegende Wochen bevor. Herrlich.

Trailer zu Episode 3x02: 'Don't Be Ridiculous'