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Während sich Philip (Matt Smith) auf eine lange Tour begibt, macht Elizabeth (Claire Foy) eine ärgerliche Entdeckung.
Premierminister Eden (Jeremy Northam) will indes zurückschlagen, nachdem Ägypten den Suez-Kanal besetzt hat.
Es war eine meiner persönlich größten Überraschungen im letzten Serienjahr: Mein Interesse an der britischen Krone hält sich zwar nach wie vor in Grenzen, Netflix' Mammutproduktion The Crown zog mich auf den letzten Metern des TV-Jahres 2016 aber wie nur wenige Dramen in seinen Bann. „Royals“-Spezialist Peter Morgan tüftelte eine epische, unglaublich gut ausgestattete, immer wieder ungemein intime und umfassende Saga zusammen, die sich mit den ersten Jahren der Regentschaft von Queen Elizabeth II. befasste, perfekt gespielt von der eher weniger bekannten Claire Foy, die für ihre beeindruckende Leistung folgerichtig mit dem Golden Globe ausgezeichnet wurde.
Nun geht The Crown in sein zweites Jahr, eine Hürde, an der schon so manche viel gelobte Serienproduktionen gescheitert sind. Das königliche Drama, welches am Freitag, den 8. Dezember die Weltpremiere seiner zweiten Staffel feiert, meistert diese Herausforderung jedoch ohne allzu große Probleme. Verändert hat sich trotzdem so einiges. Dabei bewegt man sich zwar nicht auf ähnlich hohem Niveau wie bei der ersten Staffel aus dem Vorjahr, faszinierend sind die diversen Hofgeschichten, Skandale, persönlichen Konflikte und mitunter dokumentarischen Geschichtsstunden, die hier erzählt werden, aber allemal.
Die zweite Staffel von The Crown schlägt dabei einen Weg ein, der eventuell unvermeidbar gewesen ist. In der ersten Staffel gab es noch einen klaren roten Faden, der zum Mitfiebern eingeladen hat: die ersten Schritte von Elizabeth als Königin von England, ihr neues Leben mit der gewaltigen auferlegten Verantwortung, die mit dieser Position einhergeht, sowie die Veränderungen, die sich in ihrem Privatleben ergeben sollten. In jeder Folge wurden diese Themenbereiche angeschnitten, immer wieder wurde der schwierige Prozess beleuchtet, wie Elizabeth in ihre neue Rolle hineinwachsen muss und welches unmenschliches Gewicht die Krone mit sich bringt, dem sie gerecht zu werden versucht.
Es folgte Lektion auf Lektion, während man gleichzeitig etwas Druck von den Schultern Claire Foys nahm, indem man den Fokus immer wieder auf den legendären Premierminister Winston Churchill lenkte, verkörpert von John Lithgow, der für seine erstklassige Darbietung mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Beide bildeten ein wunderbares Duo mit einer eigenwilligen Dynamik, wenn nötig waren die Charaktere aber auch im Alleingang in der Lage, eine Geschichte zu tragen. Das waren die entscheidenden Bausteine der ersten Staffel von „The Crown“, an denen man sich hervorragend entlanghangeln konnte und die der Staffel in ihrer Gänze eine gewisse Richtung gaben.
In Staffel zwei ist die Personalie Churchill passé, ein großer Fixpunkt fällt also weg. Diesen „Verlust“ möchte man anderweitig auffangen. Und so rückt die Ehe zwischen Elizabeth und ihrem Gatten Philip (Matt Smith) mehr als zuvor in den Mittelpunkt. Bereits in der ersten Staffel zeichneten sich erste Risse in der Beziehung zwischen den beiden ab, was auf das neue Leben Elizabeths als Regentin und Philips unvergleichbares Ego zurückzuführen war. Jetzt vertieft man dieses problematische Verhältnis und geht dabei sehr direkt mit den unterschiedlichen Standpunkten der beiden royalen Eheleute um. Dieses Element kommt einer übergeordneten Handlung noch am nächsten, ist bei der Sichtung der neuen Staffel aber auch kein ständiger Begleiter. Gibt es also überhaupt einen richtigen, neuen roten Faden in der zweiten Staffel von The Crown, an den man sich als Zuschauer halten kann?
Die Antwort: Nein. Und das ist nicht wirklich schlimm. The Crown wirkt in den zehn Folgen seiner zweiten Staffel fast schon wie ein royales Procedural, in dem wir jede Episode eine neue kleine Hofgeschichte serviert bekommen. Diese können intim und extrem persönlich sein, behandeln öffentliche Skandale und gehen über das britische Königshaus hinaus, befassen sich mit historischen Ereignissen oder stellen eine Mischung aus all diesen Facetten dar. Im Großen und Ganzen präsentiert uns Serienmacher Peter Morgan ein paar selbstständige, gefühlt abgeschlossene, in sich komplette Filme über die unterschiedlichsten Aspekte rund um Queen Elizabeth II.
Einmal erfahren wir mehr über die Suezkrise Mitte der 1950er Jahre und den daraus resultierenden politischen Unruhen, im nächsten Moment sind die Kennedys aus den USA zu Besuch und die Königin findet sich in einem komplizierten Verhältnis mit Jackie Kennedy wieder. Dann gibt es plötzlich einen Einblick, unter welch tragischen Umständen Philip herangewachsen ist und wie er als Vater mit seinem eigenen Sohn Charles umgeht. Wie bereits in der ersten Staffel deckt man zahlreiche wichtige politische und gesellschaftliche Ereignisse ab, in die die britische Krone in den 1950er und 1960er Jahren involviert gewesen ist. Dies ist wie gewohnt extrem spannend mit anzusehen, werden historische Tatsachen doch nicht nur herrlich aufgearbeitet und cineastisch verpackt, auch die exzellente Darstellerriege wird ihrem Ruf gerecht.
Was hier eben etwas fehlt, ist dieser eine, gemeinsame Nenner, auf den man nun seltener als noch zuvor kommt. Natürlich gibt es zwischendurch immer wieder ein paar Querverbindungen zwischen den einzelnen Episoden. Die ersten drei Folgen erzählen zum Beispiel eine eigene kleine Geschichte über das angespannte Eheverhältnis zwischen Elizabeth und Philip. Andere Episoden lassen sich wiederum in einen vergleichbaren Kontext setzen, so zum Beispiel die Bemühungen von Elizabeths Schwester Margaret (Vanessa Kirby), ihr eigenes Liebesglück zu finden und aus dem Schatten ihrer Schwester herauszutreten, was einfach nicht möglich ist. Sie tritt zweimal besonders prominent in Erscheinung, und ihre Beziehung mit dem frechen Freidenker Antony Armstrong-Jones (Matthew Goode) wird immer wieder mit Szenen der zerrüteten Ehe zwischen Elizabeth und Philip konterkariert.
Insgesamt betrachtet mausert sich „The Crown“ aufgrund der Erzählstruktur in seiner zweiten Staffel jedoch Folge für Folge zum teuersten Procedural der Serienwelt. Das deftige Budget sieht man dem hochwertigen Format nach wie vor an: Die detailverliebte Ausstattung, die wundervollen Kostüme und feinen Kulissen gehören zur allererste Güte, bei den Drehorten hat man sich indes abermals um zahlreiche authentische Örtlichkeiten bemüht, die teilweise in beeindruckenden Kamerafahrten eingefangen werden. Stellt sich nur die Frage, ob dies einige Zuschauer darüber hinwegtrösten wird, dass man sich narrativ mehr in Richtung eines vertikalen Erzählstils bewegt. Oder ist dieser Ansatz eventuell genau richtig? Wie sonst lässt sich eine derartig umfangreiche Geschichte über das englische Königshaus unter der Führung von Queen Elizabeth II. passend einfangen?
Möglicherweise hat Peter Morgan die Krux längst erkannt. Es ist ja bei Weitem nicht so, dass die zweite Staffel von „The Crown“ erzählerisch einem geläufigen Krimiformat ähnelt, in dem jede Woche ein neuer Fall durchgekaut wird. Grundsätzlich gibt der Serienschöpfer mit dieser Art des Erzählens vielen Fans seines königlichen Dramas genau das, was sie sehen wollen: mehr hervorragend aufgearbeitete, von ausgezeichneten Schauspielern wiedergegebene Geschichten aus einer der inklusivsten und von der Öffentlichkeit abgeschotteten Institutionen, die es auf der Welt gibt. Morgan macht mit seinen eigenen Visionen und Informationen die distanzierte englische Monarchie nahbar und zugänglich. Dabei konstruiert er einzelne Kapitel, von denen viele völlig unabhängig voneinander sind und an bestimmten Stellen gekonnt den purpurfarbenen Vorhang zurückziehen.
Und das macht weiterhin den großen Reiz von The Crown aus: Mäuschen spielen im Buckingham Palace und darüber hinaus. Besonders spannend ist dabei, der englischen Monarchie bei ihrer Entwicklung beizuwohnen. Die globale (und vor allem wankelmütige englische) Gesellschaft befindet sich in den 1960er Jahren im Wandel, ein altbackenes Konzept wie die Krone erfährt da schon einiges an Widerstand. Das Königshaus muss sich mehr öffnen und die ehere biedere Elizabeth muss als dessen Galionsfigur vorangehen und ihren Platz in dieser neuen Welt finden. Dies ist eine hochspannende Entwicklung, die vor allem in einer Episode den Ton angibt, in der Folge aber wieder etwas vernachlässigt wird, was ein wenig schade ist.
Auch der Blick zurück in die umstrittene Vergangenheit des englischen Königshauses und die Zusammenarbeit einiger Mitglieder der Familie mit dem Dritten Reich weckt großes Interesse, weil sich viele Zuschauer dieser Dinge wahrscheinlich gar nicht erst bewusst sind. Derartige Themen könnte man über eine ganze Staffel ausreizen, hier widmet man sich all dem zumeist in einer einzelnen Episode. Das gelingt zwar auf eine Art und Weise, die perfekt komprimiert ist und daher wie eine wunderbare kleine Geschichtsstunde erscheint. Irgendwie ist es aber auch ein wenig schade, dass viele spannende Aspekte doch recht fix abgehandelt werden. Dies ist die Kehrseite eines Procedurals, das thematisch so viel zu bieten hat, aus Zeit- und Strukturgründen aber gewisse Abstriche bei der Umsetzung machen muss.
Wo man wiederum keine Abstriche macht, ist eben die Beziehung zwischen Elizabeth und Hallodri Philip, der auf seine Freiheiten pocht und den neuen, gesetzteren Lebensstil als Prinzgemahl verabscheut. Vorweg: Claire Foy und Matt Smith funktionieren nach wie vor prächtig zusammen. Erstere brilliert ohnehin abermals ununterbrochen und strahlt allein mit ihrer Mimik so unglaublich viel aus, was gar nicht erst in Worte zu fassen ist. Matt Smith präsentiert sich derweil großartig „schrecklich englisch“ und charismatisch-arrogant. Nun muss man aber auch festhalten, dass die Ehe von Elizabeth und Philip nicht ganz das Zugpferd für die Erzählung abgibt, das man sich eventuell erhofft hatte. Der Grund dafür ist recht einfach: Philip ist ein kolossaler Bastard.
Tatsächlich ist es gelegentlich eine mittelgroße Herausforderung, das Verhalten des Prinzen zu ertragen beziehungsweise eine Qualität in ihm zu finden, um ihn verstehen und ihm verzeihen zu können. Er führt sich oft wie ein egoistisches enfant terrible auf, der seiner Rolle als unterstützender Ehemann nur in Phasen nachkommt. In den letzten Zügen der zweiten Staffel setzt man aber noch einmal zur großen Wendung an, ob dies ausreicht, muss wohl ein jeder für sich selbst entscheiden. So sehr Claire Foy als Elizabeth im Fokus dieser zweiten Staffel steht - zwangsweise, nach dem Abschied von John Lithgow als Winston Churchill, der nicht ersetzt werden kann -, so sehr möchte man Philip als Charakter aufwerten. Matt Smith spielt diesen überzeugend und faszinierend unsympathisch, was wohl das Problem ist: Er ist teilweise einfach zu unsympathisch.
Mit welcher Grazie, mit welchem Pflichtbewusstsein und mit welchem Durchhaltevermögen all dies von Elizabeth aufgefangen wird, ist beeindruckend. Zum Ende der Staffel lässt sie ihre Enttäuschung gegenüber dem männlichen Geschlecht freien Lauf, ohne aber auch nur einen Funken Anmut und Etikette einzubüßen. Mit einem derartig starken Charakter, eine unerschütterliche Frau, die so viel schultern muss - sei es die Figur Elizabeth oder Hauptdarstellerin Claire Foy - hat man glücklicherweise einen Trumpf in der Hand, der immer sticht. Und so macht die einzigartige Titelfigur mit ihrem komplexen Innenleben und den nicht weniger werdenden Herausforderungen so manchen Makel vergessen. Auch wenn um sie herum im Vergleich zur ersten Staffel von The Crown eine Art ebenbürtiges Gleichgewicht fehlt und auch wenn das königliche Drama von Netflix mittlerweile ein sehenswertes Procedural im royalen Gewand ist.
Trailer zur zweiten Staffel von „The Crown“:
Darsteller | Rolle | |
---|---|---|
Claire Foy | …………… | Queen Elizabeth II |
Vanessa Kirby | …………… | Princess Margaret |
Jeremy Northam | …………… | Anthony Eden |
Greg Wise | …………… | Lord Mountbatten |
Matt Smith | …………… | Philip, Duke of Edinburgh |
Anton Lesser | …………… | Harold MacMillan |
Will Keen | …………… | Michael Adeane |
Daniel Ings | …………… | Mike Parker |
Chloe Pirrie | …………… | Eileen Parker |
Pip Torrens | …………… | Tommy Lascelles |
Billy Jenkins | …………… | Prince Charles |
Harry Hadden-Paton | …………… | Martin Charteris |
Clive Francis | …………… | Lord Salisbury |
Nicholas Burns | …………… | Anthony Nutting |
Lizzy McInnerny | …………… | Bobo Macdonald |
Michael Bertenshaw | …………… | Master of the Household |
Chris Gordon | …………… | Duke of Edinburgh's Valet |
Jonathan Newth | …………… | Buckingham Palace Page |
Lucy Russell | …………… | Lady Mountbatten |
Amir Boutrous | …………… | President Nasser |
George Asprey | …………… | Walter Monckton |
Aliya Tanikpaeva | …………… | Galina Ulanova (as Aliya Tanykpayeva) |
John Sackville | …………… | SIS Controller |
Denis Khoroshko | …………… | Russian Naval Captain |
Richard Elfyn | …………… | Selwyn Lloyd |
Matt Harris | …………… | Mountbatten's Page (as Matthias Harris) |
Michael Culkin | …………… | Rab Butler |
Sam Spiegel | …………… | Christian Pineau |
Hugh Futcher | …………… | David Ben-Gurion |
Keenan Arrison | …………… | Egyptian Interpreter |
David Shackleton | …………… | Provost |
Lamar Bonhomme | …………… | Egyptian Colonel |
Steven Blake | …………… | Palace Press Secretary |
Lampros Kalfuntzos | …………… | Soldier |
Laura Vivio | …………… | Londoner |
Marco De Marlo | …………… | Lord Mountbatten's Tailor |
Sam Harris | …………… | Etonian |
Eloise Henwood | …………… | Royal Party Guest |
Gary Kiely | …………… | Flustered Commuter |
Marian Lorencik | …………… | French Security Protocol of Sèvres |
Andrew Whiffin | …………… | BOAC Captain |
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