Sehr viel ist passiert in der zweiten Staffel der Serie Ted Lasso, die mit zwölf Episoden auch ein wenig länger war als die kürzlich mit dem Emmy Award gekrönte Auftaktseason der Fußball-Comedy von Apple TV+. Weil wir nicht alles besprechen können (und sowieso schon eine Kritik zum Start veröffentlicht haben), konzentrieren uns zum Abschluss nun auf die dramatische Finalfolge Die umgedrehte Erfolgspyramide, die für die Serie einen entscheidenden Wendepunkt bringt. Der Bruch zwischen Ted (Jason Sudeikis) und seinem einst ergebenen Jünger Nathan (Nick Mohammed) deutet den zentralen Showdown für die dritte und wahrscheinlich letzte Staffel an, mit der nächstes Jahr zu rechnen ist.
Nathan auf Abwegen
Nathans gefährlicher Egotrip hat sich zwar früh abgezeichnet, sodass man den Autoren der Serie keinesfalls vorwerfen kann, sie hätten den finalen Verrat nicht sorgfältig vorbereitet. Doch die Drastik, in der sich der ehemals so liebenswürdige Charakter wandelt, hat trotzdem vielen Fans vor den Kopf gestoßen. Immer wieder sah sich der Darsteller daher gezwungen, via Twitter seine Handlungsbogen zu erklären, was kein gutes Zeichen kann (siehe hier). Ted Lasso ist eine so grundpositive Serie, dass der neue Nathan schlichtweg wie ein Fremdkörper erscheint.
Die Stärke des Twists liegt wiederum in der tragischen Ironie, dass Nathan ausgerechnet dem zum Opfer fällt, was alle anderen Figuren rettet: Teds übermenschliche Akzeptanz und Nachsicht. Coach Lasso inspiriert jeden im Team, ganz er oder sie selbst zu sein. Nur Nathan kann sich selbst einfach nicht ausstehen und flüchtet daher auf die dunkle Seite. Als ihm auch dort der Respekt versagt wird, nach dem er sich sehnt - wenn Roy (Brett Goldstein) ihn beispielsweise als Nebenbuhler um Keeley (Juno Temple) nicht ernst nimmt -, radikalisiert sich Nathan umso mehr. Am Ende bricht er Ted das Herz und wechselt zum Erzfeind West Ham, um für den Schurken Rupert (Anthony Head) zu coachen.
Man kommt einfach nicht umhin, die biblischen Parallelen zu sehen. Wenn man drüber nachdenkt, ist Jesus tatsächlich der literarische Held, dem Sudeikis' Fußballtrainer am Nächsten kommt. Ted hält immer auch die andere Wange hin und würde selbst in einem Mörder noch das Gute sehen wollen. Selbstaufopfernd hilft er immer erst allen Menschen in seinem Umfeld, bevor er sich um sich selbst kümmert (außerdem hat er bekanntlich ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater). Wenn Ted also Jesus ist, macht das Nathan automatisch zum Judas der Geschichte.
Man kann bereits ahnen, dass die Serie damit enden wird, dass Ted und Nathan mit ihren jeweiligen Teams in einem großen Pokalfinale aufeinandertreffen, um ein für alle Mal zu entscheiden, ob menschlicher Zusammenhalt oder kalte Taktik den Sieg bringt. Ted wird dann wahrscheinlich triumphieren und Nathan zusätzlich demütigen, indem er den verlorenen Sohn wieder bei sich aufnimmt, ohne den geringsten Groll. Nun liegt es an den Chefautoren Sudeikis und Bill Lawrence (Scrubs) selbst, uns zu überraschen und ein besseres Ende zu finden. Es scheint sich aber abzuzeichnen, dass nach der kommenden Season tatsächlich Schluss sein wird (nicht zuletzt, weil Sudeikis wieder zurück nach Amerika ziehen will).
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Interessant wird auch, wie es für den Fanfavoriten Roy und seine Keeley weitergeht. Roy hat zuletzt die gegensätzliche Entwicklung zu Nathan durchgemacht, also hin zum Guten. Verliert er damit seine anziehende Wirkung auf Keeley, die bekanntermaßen eine Schwäche für Bad Boys hat? Kaum vorstellbar, dass sie doch nochmal für Jamie Tartt (Phil Dunster) schwärmt - doch vielleicht zieht sie am Ende ja ihre Karriere vor. Trotz all der Fortschritte, die Roy und Keeley in der Season gemacht haben, scheint ihre Zukunft leider unsicherer denn je...
Die Höhepunkte
Mein persönlicher Liebling der neuen Staffel war Sam (Toheeb Jimoh), den ich letztes Jahr kaum wahrnahm. Nicht nur gelingt es dem charismatischen Stürmer, zusammen mit Rebecca (Hannah Waddingham) die wohl unvorhersehbarste Lovestory des Serienjahres zu entfachen. Auch seine Identitätssuche, verbunden mit seinem kulturellen Erbe und seiner Verantwortung als Vorbild, gehört zum Faszinierendsten, was die Season zu bieten hat. Wobei man sich fast gewünscht hätte, dass auch er Richmond den Rücken zukehrt, um die Vision eines afrikanischen Supervereins zu realisieren („Black Panther“-Vibes).
Auch im Fall von Coach Beard (Brendan Hunt) hat die neue Season wahre Wunder bewirkt. Der Sidekick war ehrlich gesagt bislang mein unliebster Charakter. Doch die Ausnahmeepisode Beard After Hours (2x9) hat ganz neue Facetten von ihm gezeigt, durch die ich den eigensinnigen Humor von Hunt erst zu schätzen gelernt habe. Unvergessen bleibt natürlich die Szene, wie er Hula Hoop tanzt, weil ein Mann das manchmal einfach tun muss, um seinen Frust zu vergessen. Auch der geniale Gastauftritt der französischen Fußballlegende Thierry Henry bleibt hier im Gedächtnis.
Ein weiterer Höhepunkt ist die Beerdigungsfolge No Weddings and a Funeral, in der sich Rebecca verletzlicher denn je zeigen darf - der Rick-Astley-Klassiker „Never Gonna Give You Up“ wird nach diesem Jahr nicht mehr dieselbe Bedeutung haben. Die Macher von Ted Lasso sind verdammt gut darin, Meme-würdige Momente zu kreieren, die das Internet im Sturm erobern. Später mischt sich dazu auch eine Tanzprobe zu Ehren der „Backstreet Boys“. Solche lockeren Szenen sind in der neuen Season notwendiger denn je, denn die Serie spielt parallel auch die Mollakkorde immer lauter.
Vor allem unser Protagonist Ted wird im Lauf der Staffel zu einem veritablen Dramahelden ausgebaut, mit komplexen inneren Konflikten. Da will man Ted Lasso die Auszeichnungen als beste Comedy fast aberkennen (zumal die Episoden inzwischen standardmäßig Dramalänge haben). Man darf gespannt sein, wie die Serie nächstes Jahr ihre hart erkämpfte Bühne nutzt, um vielleicht ein paar wichtige Botschaften zum Thema geistige Gesundheit in der unbarmherzigen Welt des Sports zu verbreiten. Schade nur, dass die neue Teampsychologin Dr. Fieldstone (Sarah Niles) schon wieder abzuspringen scheint. Sie war nämlich ebenfalls eine der wertvollsten Ergänzungen in Staffel zwei. Alles in allem eine starke Entwicklung.
Hier abschließend noch der Trailer zur 2. Staffel der Serie Ted Lasso auf Apple TV+:
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