Der AFC Richmond heuert einen Sportpsychologen an um dem Team zu helfen, seine ungewöhnliche Gleichstands-Serie zu unterbrechen.
Ted Lasso kam im August 2020 wie eine wohltuende Nackenmassage nach Monaten Pandemiestress daher. Auch Nicht-Fußballfans fanden an der Fußballserie von Apple TV+ bald Freude, weil sie einem eine Extradosis Optimismus einimpft. Unglaublich, dass eine Serie, basierend auf einem alten Werbespot für die Premier-League-Übertragung bei NBC, so viel Herz haben kann. Das verdanken wir in erster Linie dem Hauptdarsteller Jason Sudeikis sowie dem Scrubs-Schöpfer Bill Lawrence, die das kreative Ruder in die Hand genommen und ein fantastisches Team zusammengetrommelt haben.
Mit Sudeikis (Ted Lasso), Brett Goldstein (Roy Kent), Juno Temple (Keeley Jones), Brendan Hunt (Coach Beard), Nick Mohammed (Nathan Shelley), Toheeb Jimoh (Sam Obisanya), Jeremy Swift (Leslie Higgins) und natürlich der überragenden Hannah Waddingham (Rebecca Welton) hat die Serie das vielleicht sympathischste Ensemble zu bieten, das es derzeit gibt. Auch Phil Dunster verdient Erwähnung, obwohl er das kleine Ekelpaket Jamie Tartt spielt.
Staffel zwei fügt nun noch eine weitere Figur hinzu, die sich so gut eingliedert, dass man sich fast fragt, wie Ted Lasso bislang ohne sie auskam: die übercoole Teampsychologin Sharon, gespielt von Sarah Niles. Sie ist nur eines von vielen Argumenten, warum die Serie auch dieses Jahr zu den absoluten Highlights zählt. Obwohl es ein, zwei Folgen dauert, bis man wieder voll mitfiebern kann beim AFC Richmond und seinem unkoventionellen Coach.
Wie geht's weiter?
Wir erinnern uns: Im Finale The Hope that Kills You (1x10) war Richmond auf tragischste Weise in die zweite Liga abgestiegen. Ausgerechnet eine Niederlage gegen Manchester City gab am Ende den Ausschlag, zumal der ehemalige Mitspieler Jamie das letzte Tor schoss. Ted bot Rebecca seinen Rücktritt an, doch die lehnte ab und versprach ihm, dass sie nächstes Jahr wieder aufsteigen und dann englischer Meister werden.
Die neue Season knüpft nun mitten in der laufenden Saison an. Richmond hat tatsächlich eine sensationelle Rekordserie hingelegt - allerdings eine, auf die man lieber verzichten würde, nämlich die der meisten Unentschieden hintereinander. Die Mannschaft steckt in einer tiefen Krise. Vor allem Youngster Dani Rojas (Cristo Fernandez) hat mit sich zu hadern, nachdem er beim Elfmeter versehentlich das vierbeinige Vereinsmaskottchen Earl abschießt. Danis Motto war bisher: „Fußball ist Leben.“ Doch nun lautet es: „Fußball ist Tod.“
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Der perfekte Zeitpunkt also, um eine professionelle Psychologin ins Team zu holen, die die Spieler wieder aufbaut. Nachdem Sharon bei Dani wahre Wunder bewirkt, stehen plötzlich auch die anderen Jungs bei ihr Schlange. Ted fühlt sich offensichtlich von ihrer strengen Aura eingeschüchtert, doch überspielt das auf seine typische Ted-Lasso-Art mit doofen Witzen und übertrieben freundlichen Gesten. Sharon lässt sie anfangs aber immer wieder abblitzen.
Die Dynamik erinnert sehr an das, was zu Beginn der Serie zwischen ihm und der Vereinspräsidentin Rebecca abging. Wie sie und Ted zu echten Freunden wurden, war eines der stärksten Elemente der ersten Staffel. Trotzdem hatte eine kritische Stimme, die den ahnungslosen Trainer ab und zu herausfordert, anschließend gefehlt. Diese Funktion erfüllt Sharon nun perfekt, zumal sie zur echten Geheimwaffe der Mannschaft werden könnte.
Bei den Spielern rücken neben Dani nun auch der neue Kapitän Isaac (Kola Bokinni) und der nigerianische Flügelspieler Sam (Jimoh) mehr ins Zentrum der Erzählung. Vor allem Sam glänzt in der dritten Episode mit einer mutigen Protestaktion. Hier bietet die neue Staffel ihren ersten bewegenden Ted Lasso-Moment. Und die Serie trifft auch zeitlich wieder voll ins Schwarze, denn die jüngste EM hat ja gezeigt, dass Sportler auch auf dem Rasen immer politischer werden - etwa durch Kniefälle und Regenbogenbinden.
Was auffällt in der neuen Staffel: Ted wird fast zur Nebenfigur, was gar nicht mal so schlecht ist, da sich sein Charakter sonst zu schnell abnützen könnte. Stattdessen liegt der Fokus noch mehr auf Rebecca (Waddingham) - die auch wieder singen darf - und auf Roy Kent (Goldstein), der nach seinem schmerzlichen Karriereende einen neuen Job ergattert. Als TV-Experte findet er, angetrieben von seiner stolzen Freundin Keeley (Temple), seine wahre Berufung und liefert tatsächlich ein paar geniale Sprüche. Seine erfrischende No-Bullshit-Attitüde kommt beim gemeinen Fußballfan an.
Ist die neue Staffel gut?
Die Szenen von Goldstein, Waddingham und der Neuverpflichtung Niles funktionieren durch die Bank hinweg hervorragend. Kleine Probleme stellen sich derweil bei Coach Beard (Hunt) ein, dessen Liebesleben wirklich nicht so faszinierend ist, wie die Serie annimmt. Ähnlich sieht es leider auch bei Ted aus, bei dem es im Privaten seit seiner Scheidung kaum etwas Interessantes zu vermelden gab. Für Nathan derweil muss man einfach eine Schwäche haben, weil man spürt, wie viel Überwindung ihn alles kostet. Trotzdem sollte sich das Trainertrio insgesamt vor allem auf den Sport konzentrieren, während die anderen Akteure uns gern auch an ihren Abenteuern abseits vom AFC Richmond teilhaben lassen können.
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Vorsichtig sein sollte die Serie unbedingt auch, wenn es darum geht, die eigene Erfolgswelle zu genüsslich zu reiten. Zur Premiere stand Ted Lasso damals in mehr als 50 Ländern auf Platz eins der Streaming-Charts von Apple TV+. Durch Mundpropaganda und begeisterte Kritiken stiegen die Zuschauerzahlen über die Wochen nach der Veröffentlichung um satte 600 Prozent. Noch vor dem Start der zweiten Staffel wurde daher direkt die dritte durchgewunken. Bei solchen Meldungen kann einem der Erfolg schon mal zu Kopf steigen.
Gleich in der allerersten Episode der neuen Season gibt es eine Szene, die fast zu viel des Guten ist. Dort meldet sich der Journalist Trent Crimm (James Lance) zu Wort und wird von allen anderen Teilnehmern der Pressekonferenz mit seinem kultigen Namenszusatz „The Independent“ begrüßt. Dass die Serie ihren kleinen Running Gag selbst so abfeiert, löst ein wenig Fremdscham aus. Doch zum Glück bleibt es bei diesem einen Ausrutscher.
Eher hat man sogar das Gefühl, dass Ted Lasso dieses Jahr noch mutiger und experimentierfreudiger wird, statt sich auf den Lorbeeren des Vorjahres auszuruhen. Wir dürfen leider noch nicht ins Detail gehen, doch die Serie wagt sich in einigen Folgen an Hommagen unerwarteter Genres und zieht das Ganze so selbstbewusst durch, dass man ihr einfach applaudieren will. Ohnehin ist es immer schön zu sehen, wenn Serien die alte Kunst der thematisch geschlossenen Einzelepisode weiter hochhält. Dass sich in einer Ausgabe also alle Handlungsstränge irgendwie ums selbe Thema drehen und am Ende alles perfekt zusammenkommt. Da steckt sicher die geballte Erfahrung von Bill Lawrence dahinter.
Diese Stilsicherheit, gemischt mit den tollen Charakteren und ihren wunderbaren Beziehungen zueinander und der allgemeinen Grundstimmung, die einem das Gefühl gibt, dass jede Krise überwunden werden kann, wenn man zusammenhält und optimistisch bleibt, macht Ted Lasso auch in Staffel zwei zu einem einzigartigen Serienvergnügen. Man ist Jason Sudeikis und Konsorten so dankbar, dass sie die Welt mit ihrem Werk ein klein bisschen besser machen.
Zu den sportlichen Aspekten lässt sich so früh noch nicht viel sagen, denn die spannenden Spiele kommen wahrscheinlich erst gegen Ende der zweiten Season. Wir bleiben auf jeden Fall am Ball und freuen uns auf die gemeinsame Diskussion, wenn alle Folgen draußen sind. Obwohl der Fußball in Ted Lasso ja sowieso immer zweitrangig war. Es geht vor allem um Freundschaft und Liebe - und dies ist eine der wenigen Serien, über die man das sagen kann, ohne allzu kitschig zu klingen, sondern einfach ehrlich.
Hier abschließend noch der Trailer zur 2. Staffel von Ted Lasso:
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