Seventeen Seconds
Seventeen Seconds setzt direkt an den Ereignissen der Vorwoche an und zeigt uns, wie die Titan nur knapp im mysteriösen Nebel Zuflucht findet. Weder Vadic (Amanda Plummer) noch Shaw (Todd Stashwick) können hier die Sensoren benutzen, womit ein Katz- und Mausspiel beginnt. Obendrein hat die Titan ihren Warpantrieb vorerst verloren.
Es folgt ein Rückblick, bei dem Will Riker (Jonathan Frakes) Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) beschreibt, wie die Geburt seines Sohnes Thaddeus verlaufen ist und weshalb diese Episode den Titel „17 Sekunden“ trägt. Einen kleinen Blick auf Deanna Troi (Marina Sirtis) können wir ebenfalls erhaschen, aber da wird sicher noch mehr kommen als nur diese Rückblick-Szene.
Zurück in der Gegenwart gibt es ein ausführliches Gespräch zwischen Jean-Luc und Beverly, die die Existenz von Jack Crusher (Ed Speleers), Picards Sohn, jahrelang verschwiegen hat. Ein dramatischer Dialog, bei dem der Zuschauer gefordert wird, denn beide Sichtweisen beziehungsweise Erklärungen machen es schwer, sich für eine Seite zu entscheiden, auch wenn wir vielleicht eher bei Jean-Luc sind.
Derweil vermag Vadic es, immer wieder zur Titan aufzuschließen und befördert dabei Shaw zur Krankenstation, der das Kommando an Riker übergibt. Der ehemalige Captain der Titan hat jetzt wieder die Kontrolle über sein ehemaliges Schiff, während Picard die Rolle des ersten Offiziers annimmt. Ein kleiner Twist, wobei aber die unterschiedlichen Vorgehensweisen beider Figuren deutlich werden, denn Picard sieht im Angriff die beste Verteidigung, während für Riker die Flucht wichtiger ist. Außerdem sollen die anderen Rollen an Bord in diese (Haupt-)Handlung hineinspielen und wichtige Offenbarungen über den beziehungsweise die Gegner liefern, die sich mitunter auch an Bord wiederfinden und uns den nächsten Cliffhanger bescheren.
Auf M'Talas Prime macht Raffi (Michelle Hurd) derweil Bekanntschaft mit Worf (Michael Dorn), der ihr in der letzten Episode das Leben gerettet hat. Nach einigen Diskrepanzen ist aber klar, dass die beiden fortan ein Team bilden und den weiteren Spuren zusammen folgen werden, um das aufzudecken, was die Föderation zurzeit bedroht. Die Portalwaffe, über die auch Vadic verfügt, scheint bloß eine Ablenkung zu sein, während sich hier und auch an Bord der Titan die Wechselbälger beziehungsweise eine Fraktion davon als echter Feind entpuppt. Damit wird uns auch eine erste Gemeinsamkeit beider Handlungsstränge offeriert, wenngleich offen bleibt, ob und wie diese Handlungen zusammenfinden werden.
Insgesamt hat die Folge alles, was man sich nur wünschen kann. Es gibt jede Menge Action, gut umgesetztes Drama und mit Blick auf Raffi und Worf sogar gekonnt platzierten Humor. Dabei wird stets die Balance zwischen neu und alt gehalten, weil die alten Charaktere sich weiterentwickeln oder bereits weiterentwickelt haben und das „Neue“ uns doch irgendwie bekannt vorkommt, während andere Wege beschritten werden. Am Ende sind wir jedenfalls charakterlich und storytechnisch deutlich vorangekommen, auch wenn die Titan noch immer im Nebel ist und uns mit einem Cliffhanger zurücklässt.
Jack Crusher
Jack Crusher ist der Mittelpunkt im Dialog zwischen Jean-Luc und Beverly. Fraglos hätte die ehemalige Sternenflotten-Doktorin ihren ehemaligen Captain über den gemeinsamen Sohn informieren müssen. Beverlys Beschreibungen, weshalb sie nie die Gelegenheit dazu erhalten hat, mögen ehrlich sein. Aber es fällt mir schwer zu glauben, dass es wirklich keine Möglichkeit gegeben hat, Jean-Luc über die Schwangerschaft oder ein paar Monate später über die Geburt des gemeinsamen Sohnemanns zu informieren. Hier gehe ich mit Picard und verstehe nicht, wie es unmöglich gewesen sein soll, eine kleine Nachricht (ja, unpersönlich, aber doch recht wichtig) abzusetzen. Denn Picard hat Recht, wenn er meint, dass er womöglich sein Leben umgekrempelt hätte, um Jack ein guter Vater zu sein.
Wobei, okay, die Ereignisse der zweiten Staffel von Star Trek: Picard wurden erst kürzlich etabliert und wir konnten dort Picards Trauma folgen und mitansehen, wie das Verhältnis zwischen seinen Eltern war und weshalb er eine Vaterrolle für sich nie wirklich auf dem Schirm hatte. Dennoch stellt sich die Frage, ob er nicht vielleicht einen großartigen Vater abgegeben hätte und seine Karriere bei der Sternenflotte als weniger wichtig eingestuft hätte. Diese Wahl wurde ihm genommen, von daher lässt sich leicht verstehen, weshalb er Beverly Vorwürfe macht.
Auf der anderen Seite kann ich Beverly aber nicht wirklich einen Strick daraus drehen, denn sie hat durchaus probiert, Jean-Luc zu informieren und ist dabei mehrfach gescheitert, weil er durch diverse Krisensituationen unerreichbar war. Der Punkt, der mir am wichtigsten erscheint, ist aber der, dass Jack sich dagegen entschieden hat, seinen Vater kennenzulernen, nachdem Beverly ihm die Identität mitgeteilt hat. Aber wie auch immer man hier das Blatt drehen und wenden mag, finden wir Verständnis für beide Seiten und sollten uns nicht festlegen, wer letztlich Recht hat. Die Krux ist halt, dass alles so passiert ist wie geschildert und sich die Zeit (in diesem Fall) nicht zurückdrehen lässt, womit das Drama mit all seinen Tiefschlägen bestehen bleibt.
Aber zurück zu Jack, der wesentlich aufmerksamer dem Geschehen folgt, als man ihm zugetraut hätte. Beverly vermag es, Shaws Verletzung zu erkennen, womit sie sich gegenüber der amtierenden Schiffsärztin beweisen kann. Jack ist derweil derjenige, der Shaws Worte versteht und daraus die richtigen Schlüsse zieht. Denn die Frage danach, wie Vadic der Titan folgen kann, ist sehr relevant für das Überleben unserer Besatzung. Da Jack der Weg zur Brücke verwehrt bleibt, sucht er Seven of Nine (Jeri Ryan) auf und findet Unterstützung, die nach anfänglichem Zögern zielführend sein soll.
Tatsächlich finden die beiden die Ursache dafür, weshalb die Shrike der Titan mühelos durch den Nebel folgen kann. Es befindet sich ein Saboteur an Bord, der durch Manipulation der Systeme Verterium-Gas freisetzt und damit Brotkrumen für Vadic verteilt, denen sie folgen kann. Dummerweise greift dieser Jemand auch ein, nachdem Jack und Seven probieren, diese Spur abzuschütteln, womit wir erneut zu Picard kommen.
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Jean-Luc Picard
Die Offenbarung, dass Jack sein Sohn ist, führt zur Diskussion mit Beverly. Und wie gesagt, hier finden sich Pros und Kontras für beide Seiten, zumal Picard sich damals noch nicht mit seiner Kindheit auseinandergesetzt hatte, wie es in der zweiten Staffel dieser Serie der Fall war. Jetzt ist aber klar, dass er gerne den Familienfaden aufnehmen würde und mit Blick auf Laris (Orla Brady) sogar überdeutlich, wohin unser Admiral gehen möchte.
Die aktuelle Krisensituation grätscht natürlich dazwischen und ist stets handlungsrelevant, weil es das Überleben der gesamten Crew zu sichern gilt. Riker hat das verstanden und setzt auf Flucht vor Vadic, während Picard die aggressive Linie verfolgt und stets betont, zum Angriff übergehen zu wollen. Ein Thema, welches sich durch die Episode zieht und uns schließlich den Cliffhanger bescheren soll, wenn die Titan von ihren eigenen Torpedos getroffen wird und auf die Gravitationsanomalie innerhalb des Nebels zustürzt.
Ich glaube zwar nicht, dass Picard seinen Verstand verloren hat, aber sein Verhalten gegenüber Riker wirft sicher diverse Fragen auf. Schließlich sollte die Rettung der Titan oberste Priorität haben und die Zerstörung der Shrike weniger im Fokus stehen. Zumal Vadic eindrucksvoll (und zweifach) demonstrieren konnte, dass die Portalwaffe äußerst mächtig ist. Unsereins hat jedenfalls damit gerechnet, dass der Angriff der Titan auf die Shrike so enden wird, wie hier gezeigt.
Weshalb also der aggressive Weg von Jean-Luc? Das will mir nicht so ganz in den Kopf, wenngleich er womöglich die Bedrohung aus dem Weg haben möchte. Offensichtlich ist er aber noch nicht ein Familienmensch, der auf Schutz der Familie (Beverly und Jack zählen sicher dazu, aber auch die Besatzung der Titan sollte dazuzählen) pocht, sondern weiterhin derjenige, der seinen überlegenden Gegner die Stirn bieten möchte. Verständnis hierfür habe ich nicht, zumal ich Jean-Luc eher als diplomatische Person kenne. Mag sein, dass seine jüngsten Erkenntnisse in seine bevorzugte Vorgehensweise hineinspielen, aber falsch ist das Resultat, welches uns den nächsten Cliffhanger beschert, sicherlich.
Positiv möchte ich aber noch anmerken, dass mir Jean-Lucs Weg zu Jack sehr gefallen hat, um den wir bangen konnten, nachdem ihm der Wechselbalg dem Gas ausgesetzt hat. Eine Strecke, die 17 Sekunden in Anspruch nahm und mit Spannung daherkommt, weil Jack nicht sofort auf die Wiederbelebungsversuche reagiert. Hier wird Jean-Luc erst zum Vater und er lächelt, nachdem Jack wieder zu atmen beginnt. Also, vielleicht ist Hopfen und Malz für Jean-Luc noch nicht verloren. Abwarten.
Raffi und Worf
Der zweite Handlungsbogen um Raffi und Worf hat sicher den meisten Humor an Bord (bestes Beispiel: Enthauptungen finden mittwochs statt!), ist aber auch gleichzeitig wegweisend für die weitere Handlung. Denn nachdem die beiden sich ein bisschen vertraut miteinander gemacht haben, ist Titus Rikka (Thomas Dekker) das nächste Ziel.
Es war mir eine echte Freude, den neuen Worf im Zusammenspiel mit Raffi zu sehen. Unterhaltung pur und trotz des Humors mitunter dramatisch, weil beide versuchen, das Rätsel um den Diebstahl am Daystrom-Institut zu lösen und dabei unterschiedlich vorgehen. Die „Good Cop, Bad Cop“-Methode wird mitunter angewendet, wenn Rikka befragt wird und trifft genau ins Schwarze. Ähnlich vielleicht, wie das Abenteuer der Titan an diverse U-Boot-Filme erinnert, wo die gegenseitigen Parteien sich nicht sehen können.
Was wir aber auf jeden Fall erhalten (hier wie an Bord der Titan), ist die Tatsache, dass die Wechselbälger eine Rolle spielen. Worf gibt sogar einen indirekten Hinweis auf seine Informationsquelle, bei der es sich nur um Odo (Rene Auberjonois) handeln kann - jedenfalls mit Blick auf Worfs Vergangenheit auf Star Trek: Deep Space Nine. Aber wie auch immer, Raffi und Worf geben ein mehr als gutes Team ab und finden Resultate, die uns der größeren Verschwörung auf jeden Fall ein gutes Stück näherbringen.
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Nebenbei bemerkt
Es gibt kleine Details, die diese Episode hervorheben und Sidney La Forge (Ashlei Sharpe Chestnut) ist ein Teil davon. Ihr Gespräch mit Seven zu Beginn der Folge weiß da sicher ebenso zu überzeugen wie ihre Fähigkeiten als Pilotin der Titan. Außerdem werden T'Veen (Stephanie Czajkowski) ein paar kleinere Szenen gegönnt, allerdings ohne größere Bedeutung. Ansonsten bleibt die Brückencrew eher schwach vertreten.
Die Special-Effects sind auch diese Woche wieder großartig. Okay, die Verjüngung von Picard, Riker und Troi im Rückblick mag vielleicht nicht ganz so gut gelungen sein, aber ist immer noch besser als vieles, was mitunter im Kino unterwegs war. Und die Musik von Stephen Barton? Großartig, weil immer genau richtig.
Unstimmigkeiten, Rätsel und Spekulationen
Jetzt wird es interessant, denn ungleich der vorherigen Abschnitte soll es hier um die Dinge gehen, die womöglich auf uns zukommen, aber auch um die kritischeren Aspekte der Episode, die im Nachhinein fragwürdig erscheinen. Denn der obige Text, gerade mit Blick auf Jean-Luc und Beverly, aber mitunter auch Will Riker oder Jack Crusher lässt stets unterschiedliche Sichtweisen zu und fordert den Zuschauer dazu auf, diese Sichtweisen nachzuvollziehen und dabei halbwegs neutral zu bleiben, auch wenn die meisten Zuschauer es sicher nicht sind.
Vorweg würde ich Jack Crusher nach dieser Episode als weit weniger zwielichtig einstufen als zuvor. Er erkennt die Gefahr an Bord und ist wegweisend für das weitere Vorgehen der Kommandeure, fraglos ein Pluspunkt für diese Figur. Seine Nahtod-Erfahrung bringt ihm außerdem eine Vision (mit Seven), die sich noch nicht entschlüsseln lässt, aber vielleicht darauf hinweist, weshalb Vadic ihn lebend haben möchte. In seinem Kopf befinden sich womöglich Geheimnisse, die sehr wertvoll sind und versteckt wurden. Er ist und bleibt eine Schlüsselfigur für diese Staffel.
Mit Blick darauf ist es nicht verwunderlich, dass Vadics Angriffe die Titan zwar stark beschädigen, aber nicht zerstören. Das könnte sie zwar leicht bewerkstelligen und hatte dafür bereits zu Beginn der Folge die Möglichkeit, aber für mich ist klar, dass sie Jack in ihre Fänge kriegen möchte und genau deshalb nicht mit aller Gewalt versucht, die Titan zu zerstören. Der Cliffhanger lässt zwar einen anderen Schluss zu, weil sie die Portalwaffe nutzt, um die Titan lahmzulegen, die jetzt auf das Gravitationszentrum des Nebels zusteuert. Aber andererseits, nun ja, ist Vadic sehr bemüht gewesen, um Jack in die Finger zu kriegen und wenn zahlreiche (vier? - das war alles?) Torpedos auf das eigene Schiff zufliegen, greift man vielleicht doch auf eine Abwehr zurück, die das eigene Überleben sichert.
Gestört hat mich allerdings, dass der Saboteur an Bord weniger kompromissbereit vorgeht. Fähnrich Foster (Chad Lindberg) wurde offenbar von einem Wechselbalg übernommen, muss mehr oder weniger mit Vadic in Kontakt stehen, weil er der Shrike eine Möglichkeit bietet, die Titan zu verfolgen. Die weitere Sabotage besiegelt aber womöglich auch sein Schicksal, ganz egal, ob der Nebel über eine biologische Komponente verfügt. Außerdem ließ er Jack zum Sterben zurück, was ebenfalls nicht zur Story passt. Ich wittere hier jedenfalls einen großen Widerspruch oder zumindest ein Rätsel, welches weiterer Aufklärung bedarf.
Zuletzt noch zu Worf und Raffi. Die beiden wollen sich jetzt das Daystrom-Institut genauer anschauen und ausmachen, was neben der Portalwaffe vielleicht noch geklaut wurde. Unsereins wäre sich sehr sicher, dass es auf Lore (Brent Spiner) hinauslaufen wird. Schließlich ist der Darsteller für diese Staffel angekündigt und wir wissen, dass Lore im Daystrom-Institut verstaut wurde. Da lässt sich leicht zusammenzählen, was noch alles passieren könnte. Aber wer weiß, vielleicht bin ich da auf dem Holzweg. Was meint ihr?
Fazit
Eine sehr gute Folge, die Action, Drama und Humor bietet, während die Figuren sich weiterentwickeln und weitere, potenzielle Gegenspieler aufgezeigt werden. Die Balance zwischen alt und neu wird hervorragend getroffen, wenngleich sich einiges im Nachhinein doch skeptisch beäugen lässt. Von mir gibt es diese Woche viereinhalb von fünf Sternen. Und von Euch?