True Detective: Kiss Tomorrow Goodbye - Review
True Detective: Kiss Tomorrow Goodbye - Review
Kritik der Episode 3x02
Die echte Detektivarbeit in der dritten Staffel True Detective beginnt nun erst in Episode zwei, die den schönen Titel Kiss Tomorrow Goodbye (3x02) trägt. Wayne Hays (Mahershala Ali) und sein schroffer Partner Roland West (Stephen Dorff) nutzen die vagen Spuren, die sie neben der Leiche vom kleinen Will Purcell (Phoenix Elkin) in der Devil's Den fanden - darunter die obskuren Holzpuppen -, um den Kreis der Verdächtigen auf zunächst drei Personen einzuschränken: Brett Woodard (Michael Greyeyes), Ted LaGrange (Shawn-Caulin Young) und Dan O'Brien (Michael Graziadei).
Woodard ist als Müllsammler verhasst bei den Einwohnern von West Finger, was ihn schnell zum Opfer von Vorverurteilungen macht. Doch die beiden Polizisten können sich mit ihm identifizieren, da auch er im Vietnamkrieg kämpfte. Für LaGrange, der als Exsträfling auf Kaution zu allem Überfluss noch pädophil sein könnte, haben Hays und West jedenfalls deutlich weniger Mitgefühl. Unser Held zeigt hier auch erstmals seine Schattenseite, indem er dem Befragten und Verprügelten schlimmste Vergewaltigungsdrohungen ausspricht. Da schoss Nic Pizzolatto beim Dialogschreiben vielleicht ein wenig übers Ziel hinaus...
Der letzte Mann im Bunde der vermeintlich Bösen, O'Brien, stand den Purcells besonders nahe. Als Cousin von Mutter Lucy (Mamie Gummer) hatte er engsten Kontakt zu den Kindern. Genau wie LaGrange hat aber auch er ein halbwegs plausibles Alibi, was eigentlich nur Woodard übriglässt, obwohl man ihm die Tat am wenigsten zutraut. Doch ohnehin ist kaum davon auszugehen, dass einer der drei ersten Kandidaten am Ende der Täter sein wird. Zumal wir aufgrund der verschachtelten Erzählweise und Sprünge in die Zukunft wissen, dass Hays die kleine Julie (Lena McCarthy) nicht finden wird. Zumindest nicht 1990, denn da erfährt er dann, dass sie möglicherweise noch lebt und an einem Überfall beteiligt war.
The intersectionality of marginalized groups within authoritarian and systemic racist structures
Offen thematisiert wird in der zweiten Folge nun auch der Rassismus, den ein schwarzer Gesetzeshüter wie unser Protagonist im Jahr 1980 tagtäglich erlebt. Die Dokumentarfilmerin Elisa Montgomery (Sarah Gadon) vermutet sogar, dass der Fall damals nur nicht aufgeklärt werden konnte, weil gewisse Amtsträger - allen voran Bezirksstaatsanwalt Gerald Kindt (Brett Cullen) - tiefere Nachforschungen aktiv verhinderten. Verschwörungstheorien im Internet, die sie Hays im Jahr 2015 zeigt, deuten überdies auf einen Kinderprostitutionsring hin. Auch hier kommen wieder deutliche Parallelen zur Auftaktstaffel durch, obwohl diese nun nicht länger als Vergleichsobjekt genutzt werden soll - so sehr Pizzolatto offenbar auch darum fleht...

Spannender als alles, was mit dem Verbrechen selbst zu tun hat, gestaltet sich derzeit das Privatleben der Hauptfigur Hays. Besonders interessant ist es, zu beobachten, wie er auf der ersten Zeitebene seine spätere Frau Amelia (Carmen Ejogo) kennenlernt, mit ihr dann verheiratet ist, während sie einen Bestseller über ebenjenen Fall veröffentlicht, der ihren Gatten niemals losließ, und wie die Demenz ihm später die Erinnerungen an sie raubt. Vor allem das Abendessen mit seinem Sohn Henry (Ray Fisher) und den Enkelkindern hinterlässt einen bleibenden Eindruck, nicht zuletzt aufgrund der emotionalen Darbietung Alis. Bemerkenswert ist dabei auch die Schlusssequenz, die Hays vor den Trümmern seiner Vergangenheit zeigt. Regisseur Jeremy Saulnier hat sein Soll damit zumindest mehr als erfüllt.
Children should laugh
Wie bereits angedeutet, ist die zweite Episode dieser dritten Staffel True Detective, was den Informationsgehalt angeht, schon deutlich ergiebiger als die erste. Dennoch tappen wir beim eigentlichen Fall noch völlig im Dunkeln. Dass die Eltern selbst hinter der doppelten Entführung und bislang - zum Glück - nur einfachen Ermordung stehen, lässt sich kaum ausmalen. Besonders der Vater Tom (Scoot McNairy) macht aus seinem Herzen keine Mördergrube und offenbart gegenüber den Ermittlern echten Schmerz. Am meisten quält ihn die Ungewissheit rund um den Verbleib von Julie. Den tragischen Tod von Will kann er wenigstens verarbeiten und langfristig vielleicht sogar verkraften.
Auffällig ist auch, dass Pizzolatto über die bereits erwähnten Holzpuppen im Wald erneut etwas Mystisches ins Spiel bringen will. Der kleine Mike (Corbin Pitts), ein Mitschüler der beiden Opfer, berichtet seiner Lehrerin Amelia zögerlich, dass die gebastelten Figuren an Halloween verteilt worden seien. Außerdem habe es zwei geheimnisvolle Geister gegeben, die mit den Kindern in Kontakt getreten seien. Doch es hat schon seinen Grund, warum Kinder als Zeugen nicht optimal sind. Man denke nur an Sharp Objects, wo zunächst ebenfalls eine weiße Hexe als verdächtig galt. Außerdem stellt sich die Frage: Würden Gespenster ein Lösegeld fordern? Denn genau das passiert am Ende der Episode...
Wie auch immer am Schluss die Lösung aussehen wird, allmählich wird die Sache spannend. Allerdings musste ich persönlich in der Tat zuerst akzeptieren, dass Staffel eins und drei von True Detective als klar voneinander abgetrennte Geschichten zu betrachten sind. Wenn der Serienschöpfer Nic Pizzolatto auf Parallelen setzen will, ist das sein gutes Recht. Dass er die Magie von damals nicht auf Biegen und Brechen replizieren kann, wird auch ihm bewusst sein. Doch dank des oscarprämierten Hauptdarstellers Ali ist das Potential auf etwas Herausragendes und ganz Eigenes durchaus spürbar.
Der Trailer zur „True Detective"-Episode „The Big Never" (3x03):