True Detective: The Hour and the Day - Review
True Detective: The Hour and the Day - Review
Kritik der Episode 3x04
Inszenatorisch und schauspielerisch war die dritte Staffel von True Detective von Beginn an ein Erfolg auf ganzer Linie. Doch in der neuen Episode The Hour and the Day (3x04) zieht nun endlich auch das Drehbuch nach. Grund dafür ist in erster Linie die Beteiligung von David Milch, Schöpfer solcher Serien wie Deadwood oder NYPD Blue. Milch gilt als Meister der wortgewandten Beleidigungen und lässt so vor allem Hays (Mahershala Ali) und West (Stephen Dorff) gut aussehen.
A major cognitive dissonance
Die erste Spur führt die beiden Polizisten zur katholischen St. Michael's Church, in der sich der Priester, gespielt von Seth Barrish, aber schnell als weitere Sackgasse herausstellt. Immerhin bietet er uns die erste starke Dialogszene, als er Hays fragt, ob er auf den Beichtstuhl will und dieser nur erwidert: „I reckon I'll pile it up a little more.“ Der Vietnam-Veteran dürfte zig Menschenleben auf dem Gewissen haben, doch als Pragmatiker sieht er die Schuld nicht unbedingt bei sich.Sein Kollege nutzt die Sonntagsmesse derweil, um alleinstehende Damen anzubaggern, wodurch er ein Klischee bedient, mit dem Amelia (Carmen Ejogo) Hays später beim ersten Date konfrontiert. Sind alle Gesetzeshüter notorische Schürzenjäger? Zumindest auf den Junggesellen West scheint dieser Vorwurf zuzutreffen. Oder, wie er selbst sagt, während er sich obercool die Sonnenbrille aufsetzt: „God is love, brother. God is love.“ So macht True Detective Spaß!
Die nächste Station führt die Ermittler zur „netten alten Lady“ Patty Faber (Candyce Hinkle), die gar nicht mal so nett ist, zumindest nicht zu Hays. Sie ist diejenige, die die mysteriösen Strohpuppen hergestellt hat, die am Tatort gefunden wurden. Auf die Frage, an wen sie die zuletzt verkauft habe, erwidert sie: „To a negro like you.“ Als Hays nachhakt, wie genau der Verdächtige ausgesehen habe, beispielsweise gut aussehend oder hässlich, entlarvt sich Patty endgültig als Rassistin: „Like I said, he was a negro.“ Bei Dunkelhäutigen erkennt sie eben keine Unterschiede... Zum Abschied wirft der schwarze Polizist der alten Frau einen abschätzigen Blick zu, der mehr sagt als jeder Vortrag. Wie üblich grandios gespielt von Ali.

Und Rassismus spielt auch danach noch eine große Rolle, als Hays und West den besagten Mann, an den Patty die Puppen verkauft haben will, im Viertel der Schwarzen aufsuchen. Mr. Whitehead (John Earl Jelks), wie er heißt, weiß von der Brisanz der Situation und nutzt sein Verhör als politisches Statement. Für Hays hat er nur Verachtung übrig. Als er ihn fragt, wie er überhaupt seine Marke tragen könne, immerhin sei die Polizei der Feind der schwarzen Bevölkerung, antwortet Hays in seiner großartigen Hays-Art: „It has got a little clip on it.“ Nicht zuletzt wegen West eskaliert das Ganze dann aber doch schnell, wobei sich beide Cops am Ende einig sind, dass sie keine große Sache aus dem Vorfall machen wollen.
My whole life I speak, I regret
So gering die Fortschritte im Fall Purcell auch diese Episode wieder sind, so unterhaltsam bleiben die Nebenkonflikte rund um Hays. Dennoch wäre es natürlich schön, wenn uns Showrunner Nic Pizzolatto allmählich ein paar Antworten zukommen lassen würde. Was genau führte zur Trennung von Amelia und Hays? Wofür wurde Hays zwischen 1980 und 1990 suspendiert? Lebt West noch im Jahr 2015? Was genau plant die Journalistin Elisa (Sarah Gadon)? Und hat sie vielleicht eine persönliche Verbindung zum Entführungsopfer Julie (Lena McCarthy)? Ist sie möglicherweise ihre Tochter?
Die zwei wahrscheinlich stärksten Szenen dieser Episode betreffen einmal den alten Hays, wie er umzingelt vom Viet Cong in seinem Büro die Geister der Vergangenheit heraufbeschwört und das Gespräch zwischen Amelia und Lucy Purcell (Mamie Gummer). Auch für sie haben Milch und Pizzolatto ein paar derbe Sprüche auf Lager, die Gummer wunderbar gebrochen ausspielt: „I have got the soul of a whore.“ Erneut übertrieben wirken derweil Hays' Vergewaltigungsandrohungen, die er diesmal dem jungen Freddie Burns (Rhys Wakefield) ausspricht, dessen Fingerabdrücke am Fahrrad von Will (Phoenix Elkin) gefunden wurden. Doch auch er scheint nicht der wahre Täter zu sein...
Apropos nicht der wahre Täter: Für den Müllsammler Woodard (Michael Greyeyes) wird es langsam eng. Die örtlichen Hillbillies wollen dem Ureinwohner endgültig den Garaus machen und jagen ihn über die Landstraßen. Zum Ende der überlangen, aber keineswegs langweiligen Episode kesseln sie ihn schließlich in seinem Haus ein. Doch als ehemaliger Soldat weiß er sich mit Sprengfallen zu verteidigen. Die bis dato beste Ausgabe der dritten Staffel True Detective endet mit einem lauten Knall und der Ungewissheit, wer die Explosion überlebt hat und wer nicht...
Der Trailer zur nächsten „True Detective"-Episode, „If You Have Ghosts" (3x05):