SJ-Therapie 6x02: Euphoria - Therapie ist eine Familienangelegenheit
SJ-Therapie 6x02: Euphoria - Therapie ist eine Familienangelegenheit
Vorweg ein kleiner Hinweis zur Offenheit: Es gibt zwei Themen, die mir persönlich so wichtig sind, dass ich nicht unbedingt den neutralsten Blickwinkel bieten kann, nämlich die Klimakrise und psychische Gesundheit. Wer aber ebenfalls glaubt, dass unser Planet auch in Zukunft bewohnbar bleiben sollte und dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, insgesamt zufrieden oder gar glücklich zu sein, wird darin wahrscheinlich kein Problem sehen...
Und damit zur HBO-Serie Euphoria, die momentan mehr in mir auslöst als alle anderen Streaming- oder Fernsehformate. Nicht nur das bezaubernde Schauspiel der emmyprämierten Hauptdarstellerin Zendaya, die faszinierende Musik des britischen Grime-Künstlers Labrinth und das zutiefst persönliche Drehbuch von Showrunner Sam Levinson überzeugen, sondern auch vermeintliche Nebenprodukte des provokativen Coming-of-Age-Dramas regen zum Denken an. So hat mich das schillernde HBO-Format an etwas erinnert, das inzwischen fünf Jahre hinter mir liegt.
Im Rahmen meines Psychologiestudiums habe ich damals ein Praktikum in einer Essstörungsambulanz absolviert, welche ihren Fokus auf Familientherapie legte. Mein Chef, bei dem ich auch meine Abschlussarbeit geschrieben habe, war ein Freudianer der alten Schule, der die Anorexie und Bulimie mit dem etwas moderneren Ansatz der systemischen Familientherapie behandelt hat. Mit anderen Worten: Er lud nicht nur seine eigentlichen Patient:innen ein, sondern auch deren engste Angehörige. Und so saßen oft auch Mütter, Väter, Brüder und Schwestern in der Praxis, um ein und dasselbe Problem zu lösen, das natürlich nicht nur die Betroffenen selbst betraf.
Bevor ich den Bezug zu Euphoria herstelle, soll noch etwas anderes etabliert werden: Wenn ich über systemische Psychotherapie schreibe, geht es mir niemals um Schuldzuweisungen. Ich werde versuchen klarzumachen, dass psychische Probleme leider viel zu oft einer einzigen Person zugeschrieben werden; nämlich denjenigen, die in Therapie gehen. Dabei sind die Ursachen viel komplizierter und können manchmal nur gelöst werden, wenn wirklich alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Logischerweise spielt sich all das meist innerhalb einer Familie ab. Aber wie gesagt: Die Schuldfrage spielt bei all dem keinerlei Rolle, denn am Ende wollen sowieso alle dasselbe.
Liebe deinen Nächsten
Christliche Nächstenliebe hat aus heutiger Sicht etwas Befremdliches, weil ein positives Menschenbild leider kaum noch verbreitet ist (siehe hier). Dabei kann man die alttestamentarische Regel ohnehin recht eng auslegen, denn es würde reichen, wenn wir alle nur nett zu unseren Familienangehörigen wären. Die allermeisten Menschen haben ein soziales Umfeld, welches sie gewissermaßen auffängt. Wären wir wirklich verständnisvoll, nachsichtig und selbstlos, lediglich mit unseren Verwandten oder besten Freund:innen, wäre die Welt vielleicht perfekt...
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