SJ-Therapie 5x05: Serien im Klimawandel und Netflix' CO2-Bilanz
SJ-Therapie 5x05: Serien im Klimawandel und Netflix' CO2-Bilanz
„Wer einen Gigabyte bei Netflix streamt, der verbraucht dafür 13 Kilowattstunden Strom. Das ist so viel, wie ein Zweipersonenhaushalt in zweieinhalb Tagen benötigt“, heißt es in einem Online-Artikel von Deutschlandfunk Nova. Auf der Website vom ZDF ist sogar von Klickscham statt Flugscham die Rede. Verwiesen wird dabei auf einen Energieforscher, der für das vom Bundesumweltministerium geförderte Borderstep-Institut für Innovation und Nachhaltigkeit tätig ist und behauptet, dass eine Stunde Video-Streaming so viel CO2 produziere wie ein Kilometer Autofahren.
Bei solchen Schätzungen will man als Serienjunkie glatt vom Glauben abfallen. Tatsächlich soll das Internet mit seinen gigantischen Server-Netzwerken und Milliarden von Endgeräten genauso klimaschädlich sein wie der globale Flugverkehr. Laut BBC, die wie ZDF und Deutschlandfunk ein glaubwürdiges Ansehen genießt, seien beide für knapp 3,7 Prozent aller emittierten Treibhausgase verantwortlich. Bis 2025 würde sich der Fußabdruck aller Online-Aktivitäten nochmal verdoppeln. Und da der Artikel im frühen März 2020 veröffentlicht wurde, dürften all diese Angaben inzwischen sowieso hinfällig sein. Durch Corona ist die digitale Datenautobahn befahrener denn je.Dass vor allem gestreamtes Videomaterial die Bandbreiten füllt, gilt als sicher. Während des ersten Lockdowns gab es sogar die Befürchtung, dass VoD-Plattformen das World Wide Web ganz in die Knie zwingen könnten, wodurch dann auch Homeoffice und digitaler Fernunterricht nicht mehr möglich gewesen wären. Zwischenzeitlich drosselten die Anbieter ihre Wiedergabequalität auf Bitten der EU (wir berichteten). Rückblickend wirken diese apokalyptischen Befürchtungen absurd, doch damals schien der „Tiger King“-Binge einfach weniger systemrelevant als Wirtschaft oder Bildung. Dabei konnte eigentlich niemand genau wissen, wie viele Internet-Kapazität Netflix und Co nun wirklich belegt haben.
Eine vielzitierte Studie der nicht unumstrittenen kanadischen Technologiefirma Sandvine sprach im Jahr 2018 von satten 58 Prozent. Die circa 200 Millionen Netflix-User allein sollen für knapp 15 Prozent des gesamten Datenverkehrs verantwortlich sein, YouTube immerhin für mehr als ein Zehntel. Aber wie gesagt: Die Zahlen sind schwer zu überprüfen, zumal hier nur der sogenannte Downstream-Traffic gemeint ist. Und das macht die Rechnung gleich noch komplizierter...
Endlose Zahlenspiele
Bevor wir eine Serie streamen beziehungsweise temporär downloaden können, muss die jeweilige Plattform sie zunächst auf ihre Server hochladen. Der Anbieter selbst fühlt sich lediglich für den Fußabdruck beim Upstream verantwortlich. Hiermit belegt Netflix laut der Sandvine-Studie nur drei Prozent der weltweiten Bandbreite. Einen entscheidenden Teil davon machen die Nutzerdaten aus, die ständig im Hintergrund gesammelt werden. Der Großteil vom Klimaschaden entsteht derweil durch die energiefressenden Kühlsysteme der riesigen Datenzentren, die ja die physische Basis der magischen Cloud darstellen. Zwar werden die Anlagen einerseits immer effizienter, doch werden andererseits auch immer mehr davon benötigt.
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