Tár: Filmkritik - Cate Blanchett in Höchstform
Tár: Filmkritik - Cate Blanchett in Höchstform
Dass der vom Schauspiel zur Regie gewechselte Regisseur Todd Field einen Film abgeliefert hat, ist schon ein paar Takte her. Auf sein Indie-Debüt „In the Bedroom“ von 2001 folgte im Jahr 2006 zunächst das psychologische Romantikdrama „Little Children“. Vergangenes Jahr kehrte er nun nach diversen nicht realisierten Projekten mit seinem neuen Film „Tár“ zurück, der während der Filmfestspiele in Venedig Premiere feierte, vielerorts längst im Kino lief, aber erst jetzt (am 23. Februar auf der Berlinale, regulär nächste Woche) zu uns nach Deutschland kommt. Und das, obwohl der Film größtenteils in Berlin spielt.
EGOT-Preisträgerin Cate Blanchett stellte schon mit der Darstellung ihrer Lady Galadriel in der „The Lord of the Rings“-Filmreihe unter Beweis, dass sie mächtige Frauen mit einem Touch verborgener Finsternis in sich verkörpern kann. Kein Wunder also, dass Field sie für die Hauptrolle der Dirigentin Lydia Tár wollte. Als erste weibliche Chefdirigentin soll diese die Berliner Philharmonie leiten, mit deren Musiker:innen sie eine Live-Aufnahme von Mahlers fünfter Symphonie vorbereitet. Gleichzeitig ist sie im Begriff, ein Buch herauszubringen und lehrt an der prestigeträchtigen Juilliard School in New York. Bei Lydia läuft's, könnte man meinen...
Mit voranschreitender Laufzeit schleicht sich allerdings allmählich das Gefühl ein, dass sie nicht nur eine ambitionierte Overachieverin ist. Wie kommt es, dass ihre Ehefrau Sharon (Nina Hoss) die Konzertmeisterin im Orchester ist? Was hat es mit den ganzen jungen Frauen auf sich, mit denen sie sich umgibt? Wie willkürlich lässt sie ihren weitreichenden Einfluss im beruflichen Umfeld spielen? Und was hören wir da plötzlich von einer ehemaligen Studentin, die sich das Leben nahm, nachdem Lydia sie offenbar aus persönlichen Gründen geblacklistet hatte?

© Lydia Tár (Cate Blancett) bei einer Probe in der Philharmonie - Universal Pictures
Wie sehr die mächtige Maestra im Laufe der Handlung von der Öffentlichkeit in die Kritik genommen wird, bekommen wir nur tröpfchenweise mit, da der Film sehr eng bei ihr als Fokusfigur bleibt, die das alles nicht an sich heranlassen will. Lediglich Albträume und auditive Halluzinationen zeugen von erheblichen Schuldgefühlen und psychischer Anspannung.
Dass sie unter ihr stehende Menschen in Machtspiele verwickelt, wird schon in einer frühen Szene angedeutet, in der sie einen afroamerikanischen Studenten zurechtweist, klassische Komponisten wie Bach aufgrund seiner teils von Identitätspolitik informierten Präferenzen zu meiden. Nicht wenige wären an dieser Stelle vielleicht noch auf der Seite Lydias, die hier ihre Stellung nutzt, um den Kanon der alten Herren hochzuhalten, während sie sich selbst nur mit Schwierigkeiten kreativ am Piano ausdrücken kann und sich wie die schlimmsten Männer in Machtpositionen verhält, wie noch herauskommt. Vielleicht dementiert sie zu Anfang des Films auch deshalb so selbstverständlich, jemals Nachteile als weibliche Dirigentin erfahren zu haben, weil sie eben Sympathie für die hierarchische Position als Hahn im Korb hat.