Sanditon: Das neue (alte) Bridgerton? Exklusive Kritik der 1. Staffel der britischen Serie
Sanditon: Staffelreview - Stolz und Vorurteil trifft auf Bridgerton
Südengland Anfang des 19. Jahrhunderts, der umtriebige Unternehmer Tom Parker (Kris Marshall) möchte den verschlafenen Badeort Sanditon in ein neues Urlaubs- und Vergnügungsziel verwandeln. Eine Art Brighton schwebt ihm vor, in dem die High Society aus London am Wochenende ihre Zeit verbringt und vor allem ihr Geld ausgibt. Auf der Suche nach einem passenden Arzt, der die Kurgäste betreut, begegnet er der charmanten Charlotte Heywood (Rose Williams), die mit elf Geschwistern auf einem Bauernhof lebt. Als Dank für ihre Hilfe bei einem kleinen Kutschunfall nehmen die Parkers Charlotte mit nach Sanditon. Dort trifft sie auf die einflussreiche ältere Witwe Lady Denham (Anne Reid), die in den Ausbau investiert hat und sich mit ihren geldgierigen Erben Clara (Lily Sacofsky), Edward (Jack Fox) und Esther (Charlotte Spencer) herumschlägt. Charlotte trifft ebenfalls auf den attraktiven, aber unnahbaren Sydney (Theo James), Toms Bruder und einen aufstrebenden Bauleiter, der um ihr Herz buhlt.
Stolz und Vorurteil trifft auf Bridgerton?
Wer jetzt mit den Augen rollt, ist wohl kein Freund von Jane-Austen-Verfilmungen oder Kostümliebesdramen. Interessanterweise handelt es sich bei dem Stoff um den letzten und unvollendeten Roman der genannten Roman-Autorin Jane Austen. Aus den wenigen Kapiteln und dem Grundgerüst der Geschichte formte das Autorenteam rund um Andrew Davies (House of Cards, Mr. Selfridge) eine durchaus ansehnliche Prämisse. Die wunderschönen Strandszenen im sommerlichen Wind sind ebenfalls eine gern gesehene Abwechslung zu den üblichen Geschichtssträngen der Regency-Zeit, die in den engen Gassen Londons oder im direkten Umland der Metropole angesiedelt sind.
Da es sich um eine ITV-Produktion handelt, sind die Setdesigns der Straßenzüge jedoch recht rudimentär gehalten. Auch die Effekte sind nicht aus der obersten Liga, was durch die wundervollen Außenaufnahmen und die schön kreierten Ballszenen jedoch nicht weiter negativ auffällt. Die Bälle sind im kleinen Badeort natürlich wiederum nicht so opulent und pompös wie in London gehalten.
Sanditon wurde bereits im Sommer 2019 ausgestrahlt und konnte nur mäßige Einschaltquoten verbuchen, trotz einer internationalen Lizenzierung. Nach dem riesigen Erfolg der Serie Bridgerton zum vergangenen Jahreswechsel scheint jedoch ein neuer Boom rund um Regency-Formate ausgebrochen zu sein. Im Vergleich zur Produktion von Netflix spielt jedoch Sex eine kleinere Rolle, so wie es bei solchen Produktionen in der Vergangenheit auch immer der Fall war. Da es sich um eine Romanadaption von Jane Austen handelt und nicht wie bei Bridgerton um eine Adaption eines Liebesromans von Julia Quinn, ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Jedoch wirkt das insgesamt sechsstündige „Angeschaue“ und „Gesieze“ im Vergleich manches Mal recht ermüdend und etwas mehr „Geknister“ hätte den acht Episoden dieser Produktion durchaus gutgetan. Der Erfolg der Netflix-Serie ist möglicherweise auch den recht expliziten Sexszenen zu verdanken, die sogar schon in den Piloten durch Daphnes (Phoebe Dynevor) Bruder Anthony (Jonathan Bailey) eingebaut werden.
In Sanditon haben wir ebenfalls solche Nebencharaktere, die zwar etwas sexualisiertere Momente aufweisen - diese verstören die Zuschauerschaft jedoch eher. Sei es eine Beziehung zwischen Bruder und Schwester - auch wenn diese nur Stiefgeschwister sind - oder eine Szene im Wald, die von beiden Seiten als Manipulation fungierte. Einer dieser Nebenplots rund um Esther und ihren Verehrer funktioniert jedoch außerordentlich gut. Und das, obwohl beide involvierten Charaktere den größten Wandel in den acht Folgen durchleben...
Wer also „sexy“ „Bridgerton“-Momente sucht, wird sie nur äußerst selten in „Sanditon“ finden.