Irma Vep: Review der Pilotepisode - die neue HBO-Serie von A24
Irma Vep: Review der Pilotepisode
Besprechung der Folge 1x01
HBO und die Indie-Produktions-Firma A24 (Ramy, Euphoria) beweisen derzeit, dass nicht nur nostalgische Blockbuster und berühmte I. P.s von früher für den heutigen Serienmarkt adaptiert werden können. Mit dem mysteriösen Projekt Irma Vep machte sich der französische Filmemacher Olivier Assayas sogar höchstpersönlich daran, seinen 90er-Jahre-Kultfilm als Miniserie wiederaufleben zu lassen, was seit dieser Woche auch beim hiesigen Sky mitverfolgt werden kann.
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In der „Irma Vep“-Vorlage von 1996 spielt Maggie Cheung sich selbst als Hong-Kong-Actionfilmstar, der nach Paris kommt, um die Hauptrolle in einem Remake des französischen 1915er Serial-Stummfilmklassikers „Les Vampires“ („Die Vampire“) zu übernehmen. Der Film ist ein natürlich wirkendes Stück über eine turbulente Filmproduktion, bei der Szenen nicht nur wegen des strammen Drehplans nur einmal gedreht wurden, was dem Ganzen einen dokumentarischen Anstrich verleiht. Dabei werden Erinnerungen an „Die amerikanische Nacht“ von Francois Truffaut wach und auch Fassbinders „Warnungen vor einer heiligen Nutte“ (ein weiterer Film über einen Film) nennt Assayas als Inspiration.
Der französische Filmemacher und seine chinesische Muse waren übrigens nach der Fertigstellung des Films drei Jahre lang miteinander verheiratet. Jahre später drehten sie dann noch zusammen den Film „Clean“ (2004), in dem Cheung eine Frau spielt, die nach dem Gefängnis nach Paris zurückkehrt.
Hier schon mal der Trailer zur Filmvorlage mit Maggie Cheung:
Die „Irma-Vep“-Serie beginnt mit derselben Prämisse wie die Vorlage, aber mit Alicia Vikander („Tomb Raider“, „The Green Knight“) als amerikanische Schauspielerin namens Mira, die sich nach dem kommerziellen Erfolg mit einem Marvel-mäßigen Comic-Blockbuster an ein ernsthafteres Prestigeprojekt wagen möchte und in die Hauptstadt Frankreichs reist. Ähnlich authentisch wie der Film fühlt sich in der ersten Episode vor allem die Interaktion zwischen verschiedenen Mitgliedern der Filmindustrie an, unter denen eine gewisse professionelle, aber auch arrogante Abgebrühtheit herrscht. Die Serie wirkt insgesamt jedoch formaler produziert und hat sich sogar die eine oder andere Scheibe bei David Lynchs Hollywood-Nachtmahr „Mulholland Drive“ abgeschnitten, was Form und Content angeht.
Zur Story über ein schwer fassbares Filmprojekt (in diesem Fall eine Serie) gesellt sich nämlich in diesem Fall auch ein von sadomasochistischen Dynamiken durchzogenes Liebesdrama zwischen Mira und ihrer kontrollierenden Exfreundin Laurie (Adria Arjona), die sich in Paris wieder treffen, nachdem die Dinge nicht im Guten ausgegangen waren. Wie in „Mulholland Drive“ fühlen sich die Szenen zwischen den Frauen kein bisschen authentisch an, was aber bei Lynch Stilmittel ist und hier zwischen dem dokumentarischen Blick hinter die Industriekulissen auch etwas heraussticht.

Gleichzeitig wirken die von Assayas geschriebenen und in Szene gesetzten, lasziven Szenen zwischen den beiden Frauen etwas male-gaze-y. Da sich die Serie aber auch mit Authentizität im Film befasst, läuft das Ganze womöglich auf eine Pointe hinaus, was diesen Aspekt angeht. Wie in der Vorlage wird hier nämlich der Wert von Kunstfilm vs. Unterhaltungsfilm verhandelt, ebenso wie die Frage nach der Verantwortung von Remakes, was nicht nur durch die aktuelle Film- und Serienlandschaft relevant wirkt, sondern hier schon automatisch durch die Fragestellung in „Irma Vep“ inhärent meta ist.
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