Ein Herz für Klassiker: Ally McBeal
Ein Herz für Klassiker: Ally McBeal
In unserer Reihe „Ein Herz für Klassiker" möchten wir kurz und knackig an Serien aus etwas entfernter Vergangenheit erinnern, die es auch heute noch wert sind, geschaut zu werden. Was genau ist denn ein Klassiker und ab wann zählen wir eine Serie dazu? Grundsätzlich denken wir dabei an Serien, die ihre Premiere mindestens vor mehr als 15 Jahren gefeiert haben und eine ordentliche Fanbase oder Kultstatus haben. Grundsätzlich kann man also sagen: Ist es schwarz-weiß oder in 4:3, dann ist es sehr wahrscheinlich auch alt genug, um hier aufzutauchen.
Ally McBeal
Am 8. September 1997 ging die Dramedyserie Ally McBeal erstmals auf dem US-Sender FOX auf Sendung. Bereits am 8. April 1998 konnten auch die deutschen Zuschauer in die etwas surreale Welt der Protagonistin eintauchen: Als die junge Anwältin Ally (Calista Flockhart) beginnt, in der Bostoner Kanzlei „Cage and Fish" zu arbeiten, ist sie entsetzt, dass sie nun mit ihrem Ex-Freund Billy Thomas (Gil Bellows) und bald sogar mit dessen Ehefrau Georgia (Courtney Thorne-Smith) zusammenarbeiten wird. Zwischen den dreien entspinnt sich eine turbulente Dreiecksbeziehung und auch die anderen Kanzlei-Mitarbeiter sorgen für reichlich Abwechslung im Arbeitsalltag. Da wäre der schlagfertige und egozentrische Seniorpartner Richard Fish (Greg Germann), Allys früherer Studienkollege, der immer einen Ratschlag (einen sogenannten Fishismus) parat hat. Der eigenbrötlerische Seniorpartner John Cage (Peter MacNicol) wird „Gummibärchen" genannt und ist für seine Nasengeräusche im Gerichtssaal berüchtigt. Dann gibt es da noch Allys lebenslustige Sekretärin Elaine Vassal (Jane Krakowski) und Allys Mitbewohnerin und beste Freundin Renée Raddick (Lisa Nicole Carson), die Staatsanwältin ist.
Ab der zweiten Staffel stoßen außerdem die toughen Anwältinnen Nelle Porter (Portia de Rossi) und Ling Woo (Lucy Liu) dazu.
Abertura Ally McBeal (Intro/Opening) Season 1 from Anderson Narciso on Vimeo.
Die Kanzlei ist schon etwas ganz besonderes. Es gibt eine Unisex-Toilette, in der es immer wieder zu pikanten Gesprächen und gelegentlich zu spontanen Tanzeinlagen kommt. Abends trifft man sich regelmäßig in einer Bar, in der Sängerin Vonda Shepard auf der Bühne steht, die das Mikro immer wieder an die Anwälte abgibt. Vonda ist die Stimme des erfolgreichen Soundtracks.
Die Mitarbeiter betreuen neben ihren komplexen Privatleben natürlich auch Klienten. Viele der Fälle von „Cage and Fish" wirken zwanzig Jahre später ihrer Zeit voraus und aktueller denn je. Häufig geht es um sexuelle Belästigung, auch Sexarbeiter werden verteidigt oder ein Mann, der aufgrund seiner Sexualität gefeuert wird. Den ernsten Themen werden immer wieder absurde Comedy-Elemente entgegengestellt.
So gibt es zahlreiche Running Gags wie der Kehllappen-Fetisch von Richard Fish oder die Büro-Gymnastik von John Cage. Außerdem bedient sich die Serie gern an Phantasiesequenzen, die bevorzugt eingesetzt werden um die unterdrückten Wünsche der Protagonisten zu zeigen (Stichwort: Dancing Baby). Auch Voice-Overs, Flashbacks und Musicaleinlagen sorgen für Unterhaltung.
Ende der Neunziger Jahre waren diese Stilmittel in einer Realserie noch recht ungewöhnlich, vor allem in dieser Anhäufung, und der Mix aus Albernheiten, Romanzen und spannenden Fällen zog die Zuschauer schnell in den Bann. Sieben Emmys und vier Golden Globes räumte Ally McBeal ab, darunter ein Golden Globe für Hauptdarstellerin Calista Flockhart.
Zahlreiche Gaststars gaben sich während der fünf Staffeln die Ehre, wie Christina Ricci, Betty White, Bruce Willis, Barry White oder Robert Downey Jr..
Bis „Ally McBeal“ waren Juristenserien nicht wirklich mein Ding gewesen, ich war wahrscheinlich einfach auch zu jung dafür. Doch die neurotische und verletzliche Ally war so ganz anders als die stereotypen Anwältinnen, die man sonst so auf dem Bildschirm so sah. Mit all ihren Verrücktheiten aber auch ihren traurigen Erfahrungen wirkte sie menschlich und ich konnte mich mit ihr eher identifizieren als mit vielen anderen Figuren. Ob die Serie mit ihren absurden Gags heute noch genauso funktionieren würde, bezweifle ich. Doch sie ebnete sicherlich den Weg für andere gute Anwaltsserien, die sich auch nicht immer so bierernst nahmen, wie Boston Legal oder The Good Wife. Und Ally wird mich weiter als eine gute frühere Weggefährtin begleiten, die mit ihren Freunden einige Jahre lang für mich da war.
Mehr auf der Themenseite: Serien-Klassiker