Better Call Saul: Hero - Review
Review zu Episode 1x04
Zu Beginn der neuen Better Call Saul-Episode Hero bekommen wir einen schönen Callback zu der Breaking Bad-Episode, in der Saul Goodman zum ersten Mal auftaucht. Betsy Kettleman (Julie Ann Emery) entgegnet da dem leidenschaftlichen Plädoyer von Jimmy McGill (Bob Odenkirk) kühl, wenn auch leicht beschämt, mit: „You're the kind of lawyer guilty people hire.“ („Sie sind ein Anwalt, der von Schuldigen angeheuert wird.“)
A classic David versus Goliath story
In besagter Breaking Bad-Episode lässt Jesse Pinkman (Aaron Paul) seinen Partner Walter White (Bryan Cranston) wissen: „You don't need a criminal lawyer. You need a“ criminal „lawyer“. („Du brauchst keinen Strafverteidiger, du brauchst einen kriminellen Anwalt.“) Bisher versuchte Jimmy stets, den Verlockungen einer kriminellen Karriere zu widerstehen, ermutigt von seinem Bruder Chuck (Michael McKean) und der eigenen Vergangenheit, die außer ein paar mickrigen scores nicht viel einbrachte.
Das sehen wir vor allem auch in der Rückblende dieser Episode, die erneut Jimmys Vorgeschichte in Chicago erhellt. Gemeinsam mit seinem Partner (Mel Rodriguez) bringt er da einen Saufkumpanen mit einem Rolex-Schwindel um mehrere hundert Dollar, womit er beim anschließenden Kiffgelage aber nicht wirklich zufrieden ist*. Jimmy hat höhere Ziele, scheint aber nur einen Weg zu kennen, diese zu erreichen. Der Rest der Episode zeigt uns das in aller Detailliertheit.
*Der gefälschte Führerschein von Jimmys Partner weist ihn als „Henry Gondorff“ aus - der Name von Paul Newmans Charakter aus „The Sting“ („Der Clou“). Außerdem erfahren wir im Flashback, woher der Name „Saul Goodman“ kommt - ganz einfach von „It's all good, man.“ („Es ist alles gut, Mann.“)
So amüsant das Ganze auch anzusehen ist - die Regie von Colin Bucksey evoziert stellenweise den Vorgänger, schafft aber auch genug Distinktion, um einen eigenen Look zu kreieren -, es wäre in den nächsten Episoden vielleicht hilfreich, einen Grund dafür geliefert zu bekommen, warum Jimmy es eigentlich nie auf die ehrliche Art geschafft hat. Liegt das nur daran, dass er bisher sehr viel Pech hatte? Oder daran, dass er seine leicht schmierige Attitüde nicht ablegen kann? Dass er Probleme mit Autoritätsfiguren wie Harry Hamlin (Patrick Fabian) hat?

Ich bin mir durchaus bewusst darüber, dass genau diese Entwicklung einer der Aufhänger dieser Geschichte ist. Und die Autoren von Better Call Saul, die bisher alle - auch Gennifer Hutchison in dieser Episode - aus dem Breaking Bad-Lager stammen, sind bekannt dafür, sich viel Zeit für die Entwicklung ihrer Charaktere zu nehmen. Als Zuschauer muss man dafür manchmal eine Extraportion Geduld aufbringen - für mich eines der Qualitätsmerkmale dieser Serie und ihres Vorgängers.
Upon this rock I will build my church
Wo die meisten anderen Serien nach spätestens zwei Minuten einen Schnitt zur nächsten Szene setzen, lässt „BCS“ seine Figuren in lange Dialoge ausschweifen. Das funktioniert natürlich nur, wenn man einerseits die entsprechenden Autoren an Bord hat, andererseits aber auch Schauspieler, die dazu fähig sind, solche langen Dialoge mit Leben zu füllen. Beides ist bei Better Call Saul vorhanden. Die Drehbücher rangieren bisher alle auf hohem „Bad“-Niveau, und die Darsteller - allen voran natürlich Odenkirk - überraschen mit ihrem nuancierten und vielseitigen Spiel.
Der Plot um die Kettlemans, Nacho (Michael Mando) und Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) darf in Hero erst einmal pausieren, um Jimmy McGills long con genug Zeit zur Entfaltung zu lassen. Die beiden Letztgenannten tauchen überhaupt nur in zwei Szenen auf. Nacho wird aus dem Gefängnis entlassen, weil die Kettlemans gefunden wurden, und Mike ist so emotionslos wie eh und je, als er erfährt, dass sein Tipp der richtige war. Wie bereits erwähnt - Geduld ist hier beim Zuschauen essentiell.
Während Jimmy das Schmiergeld zählt, das er von den Kettlemans angenommen hat, zitiert er die Bibel und schwört sich, seine Beute lediglich als Basis einzusetzen, von der aus er eine profitable Anwaltsfirma aufziehen will. Er zieht also absichtlich den Zorn von Harry Hamlin auf sich, indem er dessen Stil, das Logo seiner Firma und deren Werbeanzeige detailgetreu kopiert. Bei der Schlichtungssitzung vor einer Richterin kämpft er noch dafür, die Werbeanzeige behalten zu dürfen, dabei plant er längst den nächsten Schritt - er will es als Held in die Lokalmedien schaffen.

Am Ende gelingt ihm das, und weil er vorher - zunächst erfolglos - sämtliche Fernsehstationen, Zeitungen und Radiosender abgeklappert hat, ist ihm nun die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher. Und auch, wenn es sich hier - wie Harry Hamlin sofort ganz richtig bemerkt - um einen Schwindel handelt, so muss man Jimmy doch zugestehen, dass es ein verdammt mutiger Schwindel ist.
The worm has turned
Jimmy geht so weit, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um als Anwalt endlich die Anerkennung (und vor allem den Kundenstamm) zu bekommen, von der er glaubt, sie zu verdienen. Seine Rechnung geht schließlich auf, statt der üblichen null neuen Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter hat er nun stattliche sieben. Hamlin ist aber nicht der Einzige, der berechtige Zweifel an dieser Heldengeschichte äußert.
Gegenüber seinem Bruder Chuck unternimmt Jimmy schon die etwas dürftige Vorsichtsmaßnahme, die aktuelle Ausgabe der Tageszeitung zu unterschlagen, damit der darin nicht sein Konterfei sieht. Doch noch hat Chuck nicht all seine Instinkte an die imaginierte elektromagnetische Hypersensitivität verloren (eine Krankheit, die nicht offiziell anerkannt und deswegen unter Hypochondrie einzustufen ist). Er wirft sich seine Schutzdecke über, sprintet zum Nachbarhaus und ersetzt die dortige Zeitung mit einem Fünfdollarschein.
Inszeniert ist das Ganze als dramatische point of view-Szene, mit grellem Licht und schrillen Tönen. Chuck hält es kaum aus, im Freien zu sein, beinahe ungeschützt der elektromagnetischen Strahlung ausgeliefert. Ein Schnitt zur Perspektive der Nachbarin, die die ganze Szenerie verdutzt beobachtet, enthüllt aber, dass Chuck sich all diese Unannehmlichkeiten nur einbildet - ein großartiger, für Breaking Bad so typischer Moment dunklen Humors.
Nun will ich nicht andauernd den Vergleich zum Mutterformat ziehen, weil „Saul“ eigentlich jetzt schon als etwas Eigenständiges funktioniert. Unbeabsichtigt sind diese Referenzen aber sicherlich nicht - schließlich zeigen uns die wechselnden Vorspannszenen schon Ausschnitte aus dem Vorgängerformat. Better Call Saul wird wohl eine Melange bleiben - bisher darf diese aber durchaus als „best of both worlds“ bezeichnet werden.