Better Call Saul: Hacken und schleifen - Review
Better Call Saul: Hacken und schleifen - Review
Kritik der Episode 6x06 Axe and Grind
Es fühlt sich noch immer ein bisschen wie Gotteslästerung an, Better Call Saul Schwächen in der sechsten Season anzukreiden, aber vielleicht muss es sein. Nachdem mich Lalos (Tony Dalton) längst überfällige Rückkehr sowie eine unerwartete Wendung im Streich gegen Howard (Patrick Fabian) zuletzt wieder besänftigt hatten, geht es mit der neuen Episode Hacken und schleifen (im Original: „Axe and Grind“) nun wieder zwei Schritte zurück. Das Midseason-Finale nächste Woche muss schon einiges abliefern, um das unrunde Pacing dieser ersten finalen Staffelhälfte rückblickend zu rechtfertigen.
Aber, da wir hier noch immer von der vielleicht besten Dramaserie reden, die das US-Fernsehen derzeit zu bieten hat, gab es in der jüngsten Ausgabe natürlich auch diverse Highlights, die im Folgenden ebenfalls besprochen werden. Erwähnenswert ist übrigens auch, dass die Folge vom Gus-Darsteller Giancarlo Esposito inszeniert wurde, der damit sein Regiedebüt hinlegte (wie kürzlich Rhea Seehorn). Ariel Levine, die viele Jahre lang als Assistentin der Autor:innen tätig war, bis sie am Ende der fünften Staffel erstmals selbst was schreiben durfte, steuerte derweil das Drehbuch bei.Kim und Jimmy
Dass uns das Cold Open wieder in Kims (Seehorn) Kindheit führt, ließ zunächst Gutes erahnen. Wir sehen, wie sich die brave Musterschülerin ganz untypisch des Ladendiebstahls schuldig gemacht hat. Doch rasch stellt sich heraus, dass sie ausgerechnet von ihrer eigenen Mutter (Beth Hoyt) angestiftet wurde, die ähnlichen Betrügertricks zu frönen scheint wie Kims heutiger Ehemann „Slippin' Jimmy“ aka Saul Goodman (Bob Odenkirk). Freud wäre entzückt, dass Kim offenbar ein Ebenbild ihrer eigenen Mutter geheiratet hat. Zumindest wurde ihr die verkehrte Lektion in die Wiege gelegt, dass Tricksereien mehr wert sind als ehrliche Arbeit, die ihrem Naturell eigentlich besser liegen würde.
Genau diese Schlüsselerinnerung könnte im späteren Verlauf der Folge Kims vielleicht fatalste Lebensentscheidung erklären, wenngleich man diese Erklärung durchaus als ungenügend empfinden kann. Dass sie ihren noblen Traumjob, auf den sie jahrelang hingearbeitet hat, einfach in den Wind schießt, um den Racheplan gegen Howard zu retten, kaufe ich den Serienmacher:innen einfach nicht ab. Dafür wurde uns die Figur als zu intelligent präsentiert. Zumal ihr übertriebener Hass auf Howard für mich - selbst nach einem Rewatch der fünf ersten Staffeln - einfach keinen Sinn ergibt. Für Jimmy sieht das schon etwas anders aus, obwohl auch er weniger gegen Howard persönlich hat, sondern mehr eine Möglichkeit sucht, seinen toten Bruder zu beleidigen.
Wenn die beiden nur wüssten, dass Howard längst gestraft genug ist durch das Fegefeuer der Verachtung, das ihm seine oft erwähnte, aber nun erstmals persönlich aufgetretene Frau Cheryl, gespielt von Sandrine Holt (The Expanse, House of Cards), bereitet. Es bricht einem förmlich das Herz, wie seine netten Gesten an ihrer kalten Fassade zerschmettern, obwohl wir natürlich davon ausgehen müssen, dass er einiges dafür getan hat, dass sie ihn so unausstehlich findet. Es fällt aber auf, dass Howards Charaktermomente die stärksten Szenen dieser Episode sind. Vor allem dem genialen Einfall, dem Saubermann-Juristen eine eigene Schuhputzmaschine ins Schlafzimmer zu stellen, kann man nur applaudieren. Nach wenigen Minuten in seinem Zuhause wissen wir jetzt alles über Howard.