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Nach der Neuausrichtung des Plots im Staffelauftakt Parallax kann Masters of Sex sich in Kyrie Eleison nun dem Alltag seiner Protagonisten widmen. Die Episode erhält auch ein „proceduraleskes“ Moment, das uns im Laufe der Staffel öfter begegnen könnte, was überhaupt nicht schade wäre, weil es hier so wunderbar funktioniert.

There is such promise of hope ahead

Rose Palmateer (Ana Valentine Walczak) ist ein junges Mädchen von 18 Jahren, das unter der strengen Ägide ihrer Eltern - vor allem ihrer Mutter - zu leiden hat. Nach einer missglückten Abtreibung wird sie ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie von Bill Masters (Michael Sheen) sofort notoperiert wird. Später stellt sich heraus, dass dies nicht die erste Abtreibung des Mädchens war. Ihre Mutter geht davon aus, dass sie von einem bösen Sexdämon besessen sei, sie habe das Kind schon mit 14 Jahren nackt mit einem Jungen erwischt.

Nun will sie Rose sterilisieren lassen, weil vor allem ihr Ehemann sich für die Tochter und deren unkontrolliertes Sexualverhalten schäme. Masters will diesen Eingriff unter keinen Umständen erlauben, geschweige denn durchführen. Weil Familie Palmateer aber zu den größten Gönnern des Krankenhauses gehört, ist Masters' neuer Chef Doug Greathouse (Danny Huston) geneigt, der erzürnten Mutter ihren Wunsch zu erfüllen.

Sein Streit mit Masters ist eine der interessantesten Szenen der Episode. Darin bezeichnet er Roses Verhalten als „Charakterschwäche“, deren Auswirkungen es vorzubeugen gelte. Masters hingegen kategorisiert ihre Orientierung als „sexuelle Dysfunktion“, in all seiner Obrigkeitsverachtung nennt er seinen Boss gleich am ersten Arbeitstag „reaktionär“ und gar „dumm“. Allerdings hätte Masters nicht damit gerechnet, dass sogar Rose selbst es für eine gute Idee hält, sich einer Hysterektomie (operative Entfernung der Gebärmutter) zu unterziehen. Auch nach den expliziten Warnungen Masters', sie könne danach nie wieder Kinder bekommen, bleibt das Mädchen bei seiner Meinung - sie hat so lange unter ihrer Mutter gelitten, dass sie davon überzeugt ist, selbst keine gute Mutter sein zu können.

Die quirlige Betty (Annaleigh Ashford) wirbelt Masters%26#039; Einfindungsphase am neuen Krankenhaus gehörig durcheinander. © Showtime

Trotz Roses expliziter Willensbekundung führt Masters den Eingriff nicht durch. Er hat eine bessere, wenn auch nicht konfliktfreiere Lösung für sie: die Spirale. Die bis heute weltweit am weitesten verbreitete Verhütungsmethode wurde Ende der 50er Jahre durch die Entwicklung thermoplastischer Werkstoffe revolutioniert. Der heute noch lebende amerikanische Gynäkologe Jack Lippes erfand den sogenannten „Lippes Loop“ - die bis dato effektivste Form der Verhütung. Rose hat auch dagegen Bedenken, schließlich ist sie in einem christlichen Haushalt aufgewachsen, wo so etwas wie Verhütungsmittel verpönt sind. Doch Masters gelingt es, sie davon zu überzeugen, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen kann und sollte.

You're not your worst part

Von der Erkenntnis, dass Masters echte Empathie für seine Patientinnen entwickeln kann, ist Betty Moretti (Annaleigh Ashford) denn auch richtiggehend überrascht. Sie zwingt Masters erst dazu, die Scharade gegenüber ihrem Ehemann Gene (Greg Grunberg) mitzuspielen, damit der nicht merkt, dass sie niemals wird schwanger werden können. Dann ermutigt sie aber Rose, gegen die eigene Mutter aufzubegehren, sich nicht alles vorschreiben zu lassen und einen eigenen Weg zu finden. Sie selbst habe ein schwieriges Verhältnis zur eigenen Mutter gehabt, was zu einem großen Teil ebenfalls ihrer sexuellen Freizügigkeit und Neugier geschuldet gewesen sei.

Das Verhältnis diverser Figuren zu ihren Müttern und überhaupt die Rolle der Mutter stechen in dieser Episode heraus. Virginia Johnson (Lizzy Caplan) kann noch nicht wie erhofft zu Masters stoßen, um mit ihm als wissenschaftliche Mitarbeiterin oder Sekretärin an der Studie weiterzuarbeiten. Ihr prädestinierter Arbeitsplatz ist bereits durch Masters' neue Sekretärin Barbara Sanderson besetzt. Sie wird von Betsy Brandt aus Breaking Bad verkörpert. Es ist schön, sie nun in einer Rolle zu sehen, die vorwiegend dem comic relief dient. Masters und Johnson bleibt also zunächst nichts anderes übrig, als ihre „Affäre zu Recherchezwecken“ in Alton fortzuführen. Nach Alton ist übrigens auch die Nochehefrau des Schwerenöters Austin Langham (Teddy Sears) gezogen. Letzterer wird in dieser Folge seiner Rolle einmal mehr gerecht, indem er eine Spontanparty in seinem Büro schmeißt und gegenüber Virginia davon schwadroniert, dass sie beide „einsame Wölfe“ seien, die durch ihre Weigerung, sich Konformitäten zu beugen, stets außerhalb des Rudels stünden.

Die einsame Wölfin Virginia entwickelt jedenfalls eine wunderbar schrullige Beziehung zu ihrer Nochchefin Lillian DePaul (Julianne Nicholson). Auch diese beiden sprechen kurz über ihre Mütter. Lillian hatte darunter zu leiden, dass ihre Mutter nie wirklich in ihre Rolle hineingewachsen sei und sie stets vernachlässigt habe. Virginia hatte das gegenteilige Problem: Ihre Mutter habe große Hoffnungen in sie gesetzt und habe sie stets hinreißend umsorgt. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob diese Aussage nicht mit einer gehörigen Portion Sarkasmus unterlegt war - bei Virginia kann man schließlich nie wissen, wie sie es nun wirklich meint. Leider habe ich gerade auch keine Erwähnung ihrer Mutter aus der ersten Staffel parat. Vielleicht wisst Ihr Leser ja mehr darüber?

Virginia (Lizzy Caplan; l.) und Lillian (Julianne Nicholson) pflegen eine tolle; schrullige Beziehung zueinander. © Showtime

Libby Masters (Caitlin Fitzgerald) hat derweil ganz eigene Muttersorgen. Sie ist mit der Erziehung ihres kleinen Sohnes völlig alleine gelassen, bekommt in dieser Episode mit Coral (Keke Palmer) aber immerhin eine Haushälterin zur Seite gestellt. Zu Beginn freut sie sich nicht nur über die zusätzliche Hilfe, sondern auch über neue Gesellschaft, beweist Bill in dieser Episode doch mehrmals, wie kaltherzig er mit seiner eigenen Ehefrau umspringt. Es ist immer wieder bemerkenswert, wie einfach es Bill fällt, seinen Patientinnen die richtigen Ratschläge zu geben, und wie unfähig er gleichzeitig ist, seiner Ehefrau - und seinem neugeborenen Baby! - Liebe zu schenken.

Who ever heard of a grown man being afraid of his own child?

Doch auch Libby zeigt sich im Verlauf der Episode von ihrer bitterbösen Seite. Nachdem es Coral gelungen ist, das Baby endlich zu beruhigen, schlägt die Stimmung bei Libby um. Bei der nächsten Gelegenheit spielt sie mit größtmöglicher Subtilität all die Macht aus, die sie als Arbeitgeberin über Coral genießt. Sie verbessert ihre Aussprache des Wortes „ask“ („fragen“) und rückt so ein Verhältnis wieder gerade, das kurz zuvor noch von gegenseitigem Vertrauen geprägt war.

Sowohl Masters als auch Johnson müssen sich in Kyrie Eleison mit Vivian Scully (Rose McIver) auseinandersetzen, freilich unter höchst unterschiedlichen Vorzeichen. Vivian ist nämlich verständlicherweise immer noch wütend auf Virginia, weil sie Ethan (der hier erneut keinen Auftritt hat) hätte heiraten sollen, was in ihren Augen von Virginia verhindert wurde. Masters erfährt schließlich den wahren Grund von Vivians Handverletzung und vom Aufenthaltsort des Ehepaares Scully. Die Autoren haben Barton (Beau Bridges) und Margaret (Allison Janney) also in Europa geparkt, bis deren beide Schauspieler neben ihrer aufwendigen Sitcomengagements wieder Zeit haben.

Die aktuelle Episode schießt in ihrer sexuellen Eindeutigkeit teilweise übers Ziel hinaus, zum Beispiel wenn sich Greathouse und Ditmer (Evan Arnold) in einer Parallelmontage bei Masters und Johnson über Spezifika ihrer Forschungen informieren und sich daran in höchstem Maße erregen. Ausgeglichen wird dies durch wunderbare Charaktermomente, wie dem, als Lillian DePaul nach einer ungünstigen Krebsdiagnose plötzlich das unzähmbare Verlangen nach Pizza plagt. In den beiden bisherigen Episoden der neuen Staffel erreicht Masters of Sex das Niveau sehr guter Folgen des Retrovorbilds Mad Men. Abzüge müssen dabei immer noch bei der Ausstattung gemacht werden, die hier weniger liebevoll gestaltet ist. Charakterentwicklung, Dialoge und Erzähltempo können sich aber durchaus messen lassen - was vor allem auch den fantastischen Darstellungen des gesamten Ensembles zu verdanken ist.