Achte Staffel
Als Homeland im Herbst 2011 beim US-Sender Showtime auf Sendung ging, überzeugte die erste Staffel durch eine interessante Prämisse, welche sich um den US-Marine Nicholas Brody (Damian Lewis) drehte, der nach acht Jahren Kriegsgefangenschaft in die Staaten zurückkehrt und dessen Gesinnung für reichlich Spannung sorgte. Es erscheint nur allzu passend, wenn die ersten Szenen der letzten Episode der Serie ebendiesen Nicholas Brody erneut kurz hervorholen, denn Carrie Mathison (Claire Danes) befindet sich bereits zu Beginn dieser letzten Staffel dort, wo Brody am Anfang der Serie stand. Die Erinnerungslücken ihres unfreiwilligen Russland-Aufenthalts der siebten Staffel sind ein erster Indikator dafür, dass sie womöglich brisante Informationen preisgegeben hat oder gar unter dem Einfluss von Yevgeny Gromov (Costa Ronin) steht. Im weiteren Verlauf bleibt nicht ersichtlich, wie weit sie gehen würde, um die ihrer Meinung nach richtigen Entscheidungen zu treffen. Gromov treibt seine Forderung in der vorletzten Folge gar auf die Spitze, wenn er gegen Ende die Worte „Kill Saul“ ausspricht - und wir können nicht sicher sein, ob Carrie dieser Forderung nachkommen wird...
Aber nicht nur die Frage, wie es zwischen Carrie und Saul Berenson (Mandy Patinkin) ausgehen wird, beschäftigt uns. Das Autorenteam um Alex Gansa und Howard Gordon ködert uns immer wieder mit neuen Entwicklungen und spannenden Wendungen. Stehen anfangs noch heikle Friedensgespräche in Afghanistan im Vordergrund, die mit kleineren und größeren Spannungsspitzen daherkommen, werden spätestens mit dem Ende der vierten Episode und dem (viel zu kurzen) Auftritt von Präsident Warner (Beau Bridges) mehrere Gänge höher geschaltet. Für unsere Protagonisten gibt es stets kleinere Erfolge zu verbuchen, die aber immer wieder von neuen Ereignissen überschattet werden, welche die jeweilige Lage aussichtsloser als zuvor erscheinen lässt.
Wobei ich zugeben muss, dass ich mir von der achten und letzten Staffel nicht unbedingt viel versprochen hatte. Homeland war zwar mit jeder Staffel auf mindestens gutem Niveau unterwegs - nicht zuletzt wegen der vielen guten Darsteller - aber an die erste Staffel kam man nicht oft heran. Entsprechend waren meine Erwartungen im eher normalen Rahmen, bis zu besagtem Helikopterabsturz jedenfalls, denn zu meinen Staffelhighlights zählen ganz sicher die Suche nach Max (Maury Sterling) und dem Flugschreiber, wobei ich aber auch die sogenannte Gerichtsverhandlung um Haissam Haqqani (Numan Acar) extrem spannend fand. Schade übrigens, dass dessen Sohn Jalal (Elham Ehsas) zum Schluss aus den Augen verloren wurde. Da hätte ich mir noch eine Szene mit ihm gewünscht, als die Aufzeichnungen des Flugschreibers publik gemacht werden.
Aber gut, der Fokus der letzten Folgen liegt ohnehin verstärkt im Weißen Haus, wo der unerfahrene neue Präsident Hayes (Sam Trammell) beinahe und dank seines bärtigen Beraterteufelchens John Zabel (Hugh Dancy) einen Nuklearkrieg mit Pakistan provoziert, während David Wellington (Linus Roache) und Saul alles versuchen, um eine Eskalation zu vermeiden. Als Zuschauer fragt man sich nicht selten, wie es so weit kommen konnte und das Faszinierende ist tatsächlich, wie geschickt das Autorenteam die zahlreichen Figuren und Ereignisse benutzt, um zu ebendieser Situation zu gelangen.
Prisoners of War
Ähnlich faszinierend manövriert sich Carrie im Staffelverlauf ins Abseits. Wir sehen diesen Werdegang kommen, fragen uns an einigen Stellen vielleicht, weshalb ihre Kollegen so engstirnig sind und dem Flugschreiber (oder Max) weniger Bedeutung geben als ihrer Verhaftung. Gleichzeitig sucht sie natürlich zusammen mit dem „Feind“ Gromov nach dem Gerät und der Selbstmordanschlag auf das zuvor verratene und gefangen genommene Team fällt teilweise auf sie zurück, ebenso wie der Tod von Präsident Warner, dessen Besuch sie empfohlen hatte. Letztlich - und das ist das Wichtigste - lassen sich aber alle Parteien nachvollziehen und die Schuldfrage rührt von unglücklichen Verkettungen sowie von technischem Versagen her. Gerade letzteres ist der Knackpunkt, den es zu beweisen gilt, an dem letztlich alles hängt und weshalb Carrie im Finale alle Energie in den Deal mit Gromov steckt, auch wenn sie damit gegen die letzte Person, die ihr noch vertraut, vorgehen muss: Saul.
Es fällt mir schwer in Worte zu fassen, was während der Auseinandersetzung in mir vorging. Selten habe ich derart intensive Szenen gesehen und angespannt vorm TV gesessen, um zu erfahren, wie es (für Saul) ausgeht. Großartig von Danes und Patinkin gespielt, wobei aber auch der anschließende Besuch von Carrie bei Sauls Schwester Dorit (Jacqueline Antaramian) zu bewegen weiß. Nicht nur, weil Carrie sehr hinterlistig, gar niederträchtig von Sauls Tod berichtet, sondern, weil sie Saul tatsächlich verloren hat. Er mag nicht tot sein, aber durch Dorits Nachfrage (und später Sauls Aufzeichnung) wird ihr bewusst, was sie geopfert hat, um an den Namen Anna Pomerantseva (Tatyana Mukha) zu kommen.
Ganz ohne Kritik geht es aber auch nicht. Mich wundert zum Beispiel, dass Saul ähnlich verbissen wie John Zabel wirkt, wenn es darum geht, Anna zu schützen. „Cost of doing business“ will mir da für einen Krieg mit Pakistan nicht schmecken, wenngleich diese Phrase später auch von Gromov benutzt wird. Es wäre auch bestimmt leichter gewesen, Anna in Sicherheit zu bringen, wenn er den Namen einfach preisgegeben hätte - dann wäre sie vielleicht noch am Leben und hätte sich nicht in der Sackgasse des Kellerraums erschossen. Zuletzt fällt es trotz einiger Rückblicke schwer, den besonderen Status, den Anna bei Saul genießt, nachzuvollziehen. Wir erhalten zwar eine Idee davon und bei neuen Figuren ist es nie einfach, sie in nur wenigen Folgen entsprechend aufzubauen, aber für den Knalleffekt am Ende hätte Anna deutlich mehr Screentime im Vorfeld benötigt - vor allem mehr Szenen mit Saul und vorzugsweise aus der Vergangenheit. Der Tod von Max ein paar Folgen zuvor nimmt mich da mehr mit.
Was das Ende betrifft, hat mich der Zeitsprung von zwei Jahren ein wenig gewundert. Aber mit Blick auf Carries neue Situation ist es durchaus angemessen, so viel Zeit verstreichen zu lassen. Und mir gefällt, was uns da in der letzten Viertelstunde als Abschluss präsentiert wird. Nicht wirklich ein Happy End, aber doch ein gutes, jazziges und stimmiges Ende. Carrie als Annas Nachfolgerin und Saul als einziger, der ihre Nachrichten erhalten und deuten kann, lässt die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren zudem halbwegs versöhnlich enden. Obendrein wird klar, dass der Episodentitel auf Carrie und Saul gemünzt ist, die beide mehr oder weniger in ihrer Spionagearbeit (dem „Krieg“) gefangen sind.
Stay tuned?
Bei Carries letzten Worten in der Botschaft an Saul ließe sich leicht vermuten, dass uns irgendwann noch eine Fortsetzung erwarten könnte. Doch Alex Gansa erteilt dieser Vermutung in einem (übrigens sehr interessanten) Interview mit Deadline eine Absage. Es sei der Fantasie der Zuschauer überlassen, wie die weitere Reise von Carrie und Saul aussehen könnte. Für mich ist das vollkommen in Ordnung und mir ist es ehrlich gesagt auch lieber, diese Serie mit einem leicht ungewissen Ausblick enden zu lassen als mit einem definitiven Schlussstrich.
Fazit
Homeland liefert ein äußerst spannendes, charakterintensives Serienfinale ab und endet auf einer hohen Note. Meine Erwartungen an die achte und letzte Staffel wurden übertroffen und ich werde diese Serie sicher vermissen. Für einen perfekten Abschluss fehlen bloß Kleinigkeiten, weshalb ich gerne viereinhalb von fünf Sternen springen lasse. Und Ihr?
Hier abschließend noch der Trailer zu den letzten Episoden der US-Serie „Homeland“: