Es gibt eine heimliche Heldin in dieser siebten Staffel von Homeland: Maggie (Amy Hargreaves) hat die undankbarste Rolle in der gesamten Serie, bleibt aber bewundernswert standhaft - und das mit Recht. Wie sich Carrie (Claire Danes) gegenüber ihrer eigenen Tochter und dem Rest der Familie verhält, ist schlichtweg inakzeptabel. Da hilft auch nicht das immergleiche Verweisen auf die nationale Sicherheit. Selbst Präsidentenberater Saul (Mandy Patinkin) legt weniger Eifer an den Tag als sein Protegé.
Do the right thing
Dieses Mal hat jedoch selbst die mit einer Engelsgeduld ausgestattete Maggie genug und stellt Carrie ein Ultimatum: Entweder sie lässt sich in eine psychiatrische Klinik einweisen oder Maggie bemüht sich um das Sorgerecht für Franny (McKenna Keane). Angesichts der vergangenen Ereignisse - und vor allem denen aus der Episode Andante - verwundert diese Entscheidung kaum. Viel eher überrascht, wie wenig Zeit Carrie verstreichen lässt, um über das zukünftige Schicksal ihrer Tochter zu entscheiden. Ist dieses Verhalten noch irgendwie entschuldbar?
Vielleicht lässt sich Maggie ja noch einmal weichklopfen, wenn sie erfährt, dass Carrie mit ihrem unermüdlichen Einsatz dafür gesorgt hat, dass Präsidentin Keane (Elizabeth Marvel) nicht abgesägt wird. Die Einsätze scheinen hier relativ gering, zumindest, wenn man „Homeland“ mit ihrer Schwester im Geiste, 24, vergleicht. Dort konnte man Jack Bauers drastische Maßnahmen noch einigermaßen nachvollziehen, weil es immer mindestens um die Rettung der Vereinigten Staaten vor einem verheerenden Terroranschlag ging. Carrie hingegen kämpft „nur“ darum, dass ihre Oberbefehlshaberin nicht vorzeitig ihren Dienst quittieren muss.
Dabei ist Carrie gar keine Staatsangestellte mehr, sondern eine Agentin eigenen Willens, die ihre Aktionen auch noch größtenteils selbst finanziert. Bei der Befragung ihres FBI-Kollegen Dante (Morgan Spector), der mit ziemlicher Sicherheit des Landesverrates schuldig ist, habe ich mich mehrmals gefragt, ob ihre Anwesenheit und ihre Methoden vor einem Gericht überhaupt Bestand haben würden. Saul könnte sie ja wenigstens als Freelancerin anstellen, damit man diesbezüglich keinen Rückschlag fürchten muss. Aber darum scheint sich das Autorenduo Patrick Harbinson und Chip Johannessen nicht zu scheren.
Als Carrie mit den üblichen Verhörmethoden nicht weiterkommt, wandelt sie sich vollends in die „Homeland“-Version von Jack Bauer. Mittels eines Fake-Anwalts lässt sie Dante vergiften, genau so, wie es mit General McClendon gemacht wurde, weil sie darauf hofft, dass der FBI-Mann und mutmaßliche Verschwörer mit den letzten Atemzügen seine Schuld offenbart. Genau so geschieht es denn auch, was natürlich gut für den Fortlauf der Serie ist, aber nicht unbedingt glaubhaft. Warum sollte Dante seine letzten Worte darauf verwenden, ein Geständnis abzulegen? Das Risiko, ihn umsonst umzubringen, scheint mir hier zu hoch.
Your country doesn't love you back
Viel interessanter wäre es gewesen, hätte Carrie es geschafft, Dante mittels ihrer ursprünglichen Taktik von einer Kooperation zu überzeugen. Eindringlich macht sie ihm deutlich, dass sie sich von dem Heimatland, das sie einst zu schützen schwor, ebenso hintergangen fühlt wie er: „We've both been used.“ Daraus hätte man eine Diskussion entspringen lassen können über die Art und Weise, wie Geheimagenten und Soldaten physisch und psychisch entsorgt werden, sobald sie dienstuntauglich geworden sind. Stattdessen lässt man Carrie abermals in eine Action-Antiheldin mutieren.
Und das alles für eine Präsidentin, die mit der Inhaftierung von 200 ranghohen Generälen bereits bewiesen hat, dass sie das Zeug zur Autokratin besitzt. Von Senator Paley (Dylan Baker) und Kollegen wird sie zu Beginn der Episode Lies, Amplifiers, F**king Twitter zum Rücktritt aufgefordert, da sich die politische Kultur unter ihrer Ägide bereits zum Schlechteren gewandelt habe - eine deutliche Anspielung auf das, was in Amerika gerade unter Trump passiert: „Things that we thought could never happen in this country apparently can.“
Keane führt unterdessen längst ihren eigenen Plan aus, um die mutmaßliche Falschaussage von Simone Martin (Sandrine Holt) vor einem Kongressausschuss zu verhindern. Ihr Chefberater Wellington (Linus Roache) übt Druck auf die Russen aus, ihre Agentin zurückzupfeifen, was zwar gelingt, aber nicht in der Form, in der sie es gerne hätten. Simone wird von ihrem Freund Yevgeny Gromov (Costa Ronin) aus ihrem Versteck befreit, was auch ein bisschen zu einfach funktioniert. In Rekordzeit findet Gromov nämlich ein Druckmittel, das er gegen Simones Anwältin einsetzen kann, um ihren Aufenthaltsort zu erpressen.
So spannend diese Homeland-Episode von Regisseur Tucker Gates auch inszeniert ist, so viele Lücken klaffen in ihrem logischen Gerüst, wenn man ein bisschen näher hinschaut. Früher hatte die Serie noch Interesse daran, real existierende Probleme - wie die geistige Gesundheit von Geheimagenten - auszuleuchten. Heute dienen diese nur noch als Plotelemente, um die Geschichte möglichst actionreich fortzuschreiben. Ausgeschlossen ist es deswegen jedoch nicht, dass man auch wieder zu einer ausgewogeneren Mischung zurückkehren kann.
Trailer zur „Homeland“-Episode 7x09, „Useful Idiot“: