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Beim verzweifelten Versuch des Mordes an Francis Dolarhyde (Richard Armitage) heckt Will Graham (Hugh Dancy) einen mutigen Plan aus, der auch den Einsatz von Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) vorsieht.
Als Bedelia Du Maurier (Gillian Anderson) davon erfährt, warnt sie ihn davor, dass seine Aktionen nicht nur ihn, sondern auch seine Familie in Gefahr bringen könnte.
Kurz vor dem Ende scheint Will zu allem entschlossen - auch wenn das bedeutet, sich mit seinen dunkelsten Ängsten auseinandersetzen zu müssen.
Das Hannibal-Finale ist angerichtet - wenn Ihr mir einen letzten kulinarischen Wortwitz verzeihen mögt - und wie wohl alle Zuschauer bin ich nicht ohne Nervosität in die Folge The Wrath of the Lamb hineingegangen. Ich stimme vollkommen mit meinem Kollegen Axel, dessen Reviews ich ausgerechnet zu diesem Anlass übernehme, überein, wenn er die zweite Hälfte der dritten Staffel im Vergleich zum Rest der Serie schwächer bewertet. Zumindest von einem Storystandpunkt aus, visuell wurden nach wie vor sämtliche Register gezogen.
Persönlich konnte ich auch schon während der ersten beiden Verfilmungen des Stoffes von Thomas Harris, „Manhunter“ und „Red Dragon“, nur wenig mit der Figur des roten Drachen anfangen. Dass Bryan Fuller und sein Autorenteam gerade diesen Handlungsstrang so gut wie überhaupt nicht umgeändert haben, war wohl die größte Enttäuschung für mich. Für Kenner der Story gibt es zunächst auch in dieser Folge keine wirkliche Überraschung, aber glücklicherweise kann ich berichten, dass das dritte Staffelfinale (welches wohl gleichzeitig das Finale der Serie bleiben wird, wie es nach aktuellem Stand aussieht) ein wundervolles Serienende abgibt, dem nach meinem Geschmack nichts hinzuzufügen ist.
Zunächst widmet sich die Episode dem letzten Kapitel in der Beziehung zwischen Francis Dolarhyde (Richard Armitage) und Reba (Rutina Wesley), vor welcher sich der Serienkiller zuletzt als The Great Red Dragon geoutet hatte. In einer ausgedehnten Einstiegsszene, die der zuvor im Zwiespalt gefangene Francis viel zu sehr zu genießen scheint, lässt er seine Dominanz über Reba walten und scheucht sie, wie eine Katze, die mit ihrer Speisemaus spielt, umher.
Ganz nebenbei: Ist sonst noch jemandem aufgefallen, wie sehr Richard Armitages Gesicht treffenderweise dem von Dennis Hopper aus „Blue Velvet“ ähnelt? Das Zimmer in Flammen aufgehen lassend, zieht Francis es schließlich vor, nicht dabei zuzusehen, wie Reba von den Flammen verschlungen wird und schießt sich mit einer Schrotflinte ins Gesicht. Dies ist so trickreich in Szene gesetzt, dass selbst Kennern des Romans kurz Zweifel an der doppelbödigen, vorlagengetreuen Umsetzung kommen können.
Reba gelingt die Flucht und berichtet Will von ihrer Tortur und dem Tod des Drachen, der ihr versichert, kein Freakmagnet zu sein, indem er die Dualität zwischen Francis und dem Great Red Dragon unterstreicht: „You didn't draw a freak. You drew a man with a freak on his back.“ („Du hast keinen Freak angezogen, sondern einen Mann mit einem Freak im Nacken.“) Danach kann Will es sich nicht verkneifen, dem Drachenflüsterer Hannibal (Mads Mikkelsen) einen Besuch abzustatten, was einer prahlenden Siegerrunde gleichkommt.
Dabei setzt er sich allerdings, wie in den schwer nachvollziehbaren Therapiestunden bei Dr. Du Maurier (Gillian Anderson), den quälenden Retourkutschen des Kannibalen aus, der den verkohlten Dr. Chilton (Raul Esparza) als eines von Wills Opfern ins Spiel bringt und Zweifel daran äußert, dass ein normales Familienleben für ihn möglich ist. Wills gezielt stichelndes Statement, Hannibal habe sich nur nach seiner Ablehnung ihm gegenüber einfangen lassen, bezeichnet Dr. Lecter später als seinen Mic-Drop-Moment. Doch das Mikro bleibt nicht am Boden.
Etwas verschenkt ist die unglamouröse Auflösung, dass der rote Drache doch noch am Leben ist und seinen Tod in Anwesenheit von Reba nur mithilfe eines weiteren Opfers inszeniert hatte. Er fällt Will in dessen Haus an und offenbart seine Suche nach einem neuen Verbündeten, der sein Idol Hannibal ihm am Ende nicht sein wollte. Beziehungen und zwischenmenschlicher Kontakt werden abermals als zentrales Thema dieser Staffel herausgestellt. In Einklang mit dem Episodentitel (The Wrath of the Lamb) lässt sich Will auf die destruktive Partnerschaft ein, um Hannibal ein und für alle Mal das menschenschnabulierende Handwerk zu legen.
Ein Komplott mit Jack Crawford (Laurence Fishburne) und Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas) soll den Drachen schließlich dingfest machen beziehungsweise ihn auf den Kannibalen loslassen. Der Plan: eine Umsiedlung des Inhaftierten inklusive einer fingierten Flucht mit Hannibal als Köder. Unbezahlbar ist der Gesichtsausdruck, den Dr. Du Maurier an den Tag legt, als Will ihr von dem riskanten Unterfangen berichtet. Nervös an ihrem Drink nippend, sieht sie sich im Geiste schon wieder auf dem Menü ihres ehemaligen Partners und kann kaum die Contenance bewahren, was Will nur allzu genussvoll auskostet.
Ebenso diabolisch und offenherzig wie selten entgegnet Hannibal der an ihn herantretenden Alana, welche ihm den Plan zur Ergreifung Dolarhydes unterbreitet und im Gegenzug anbietet, seine Privilegien (Bücher, Zeichnungen und nicht zuletzt die viel besungene Toilette) wiederherzustellen: „You died in my kitchen, Alana, when you chose to be brave. Every moment since is borrowed. Your wife, your child, they belong to me. You made a bargain for Will's life and then I spun you gold.“ („Du bist in meiner Küche gestorben, Alana, als du dich entschlossen hast, mutig zu sein. Jeder Moment danach ist geliehen. Deine Frau, dein Kind, sie gehören mir. Du bist mit Wills Leben einen Handel eingegangen und ich habe dir Gold gesponnen.“) Hannibal als Rumpelstilzchen - eine groteske Märchengestalt, die nur durch die Kenntnis seiner wahren Identität besiegt werden kann.
Auf dem Weg in Dr. Blooms Einrichtung, von wo aus Hannibal kontrolliert entkommen soll, taucht plötzlich Francis auf und verhilft Dr. Lecter zu einer authentischen Flucht - natürlich nur, um ihn jagen zu können - und lässt ihn mit Will von dannen ziehen. Leider gerät diese Szene der Episode äußerst unglaubwürdig. Will und Hannibal werden von mehreren bewaffneten Polizisten eskortiert, von denen keiner Anstalten macht, der Massakrierung des Konvois etwas entgegenzusetzen. Auf dem Papier hat dieser Plotpunkt, der für das Arrangement der finalen Szenen notwendig ist, sicher besser funktioniert als in der Umsetzung.
Als Schauplatz für das Finale des Finales wurde Hannibals Haus am Wasser auserkoren, in welchem er Abigail Hobbs und Miriam Lass versteckt beziehungsweise gefangen hielt, ehe er sie ermordete. Hier wird Hannibal nach einer letzten Konversation mit Will von Francis angeschossen, doch Will, der mit einem guten Glas Wein in der Hand zusieht, wie der Drache sich auf die Vernichtung Hannibals vorbereitet, bleibt kein unbeteiligter Voyeur. Francis geht mit einem Messer auf ihn los und verletzt auch ihn schwer. Hannibal kommt ihm schließlich zu Hilfe und in einer wundervoll inszenierten Actionszene werden die beiden zu Drachentötern, wobei jeder von ihnen - fast wie in einem Superheldenfilm - seine Spezialfähigkeit einsetzt: Will schneidet dem Drachen, wie einem seiner geangelten Fische, den Bauch auf, während Hannibal ihm ein Stück Hals herausbeißt.
Bis zu diesem Moment empfand ich die Folge als eher mittelmäßig und etwa gleichwertig mit den vorausgegangenen Episoden, die nicht ganz so gut funktioniert haben, wie zum Beispiel große Teile der zweiten Staffel. Die abschließende Szene zwischen dem zentralen Duo hält allerdings noch Großes bereit. Blutüberströmt und schwer verletzt stehen Will und Hannibal am Kliff. „See? This is the life I wanted for you, Will. For both of us.“ („Siehst du? Dies ist das Leben, das ich für dich wollte, Will. Für uns beide.“) Der beinahe angedeutete Kuss wäre an dieser Stelle nur noch Formsache gewesen. Stattdessen verschmelzen die beiden Männer in einer gefühlvollen Umarmung... ehe Will sich gemeinsam mit Hannibal von der Klippe stürzt. Ein sanfter, jedoch radikaler und vor allem poetischer Abschluss der Geschichte.
Es wäre ein Leichtes für Bryan Fuller, in einer vierten Staffel von Hannibal zu behaupten, Will und Hannibal hätten den Sturz überlebt. Wir haben in dieser Staffel viel unwahrscheinlichere Wiederauferstehungen gesehen. Nun müssen wir allerdings erst einmal davon ausgehen, dass mit The Wrath of the Lamb das Serienfinale vorliegt und, so wie die Episode endet, kann ich wie gesagt sehr gut damit leben und verbuche Will und Hannibal in meinem Kopfkanon als in blutiger Umarmung Verstorbene.
Natürlich hängt die Gesamtbewertung einer Ausnahmeserie wie Hannibal nicht nur an dem Serienfinale, aber ein würdiger Abschluss hat doch viel damit zu tun, wie wir irgendwann auf eine Geschichte als Ganzes zurückblicken. Und während nicht alles komplett rund war in diesem Finale, das auch darunter litt, an die weniger spannende Drachengeschichte gekoppelt zu sein und der Plan der Ermittler doch ziemlich unausgegoren erschien, können die letzten zehn Minuten doch einiges herausholen, wenn sich die Handlung auf den ambivalenten Will und seinen engsten Freund beziehungsweise ärgsten Feind konzentriert.
Wie in modernen Serienklassikern à la Six Feet Under, The Sopranos oder zuletzt auch Mad Men werden wir schließlich mit einem kongenialen Song („Love Crime“ von Siouxsie Sioux) aus der letzten Episode entlassen, der in diesem Fall die ominöse Zeile „I will survive, live and thrive, win this deadly game“ enthält. Mit einem so eindrucksvollen Ende hätte ich sogar gut und gerne auf die post credit scene (den Nachtisch sozusagen) mit Bedelia verzichten können.
Darsteller | Rolle | |
---|---|---|
Mads Mikkelsen | …………… | Dr. Hannibal Lecter |
Hugh Dancy | …………… | Will Graham |
Caroline Dhavernas | …………… | Dr. Alana Bloom |
Gillian Anderson | …………… | Dr. Bedelia Du Maurier |
Laurence Fishburne | …………… | Jack Crawford |
Aaron Abrams | …………… | Brian Zeller |
Scott Thompson | …………… | Jimmy Price |
Richard Armitage | …………… | Francis Dolarhyde |
Rutina Wesley | …………… | Reba McClane |
Raul Esparza | …………… | Dr. Frederick Chilton |
Katharine Isabelle | …………… | Margot Verger |
Alana Bridgewater | …………… | Orderly |
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