On My Block gehört zu den am meisten unterschätzten Netflix-Serien. Dabei ist die Coming-of-Age-Dramedy, die aus einer überwiegend durch Latinos und Schwarze geprägten Community im südlichen Kalifornien erzählt und eine Clique Teenager durch ihren Alltag begleitet, ein kleines Juwel. Lässt sich Ähnliches auch von dem Spin-off Freeridge sagen, das nun beim Streamingdienst gestartet ist?
Wovon handelt die Serie Freeridge?
Die neue Serie stellt eine neue Clique in den Fokus. Sie gehen zur selben Schule wie einst Monse, Cesar, Ruben und Jamal. Auch wer das Serienfinale der Mutterserie gesehen hat, kennt die neuen Gesichter schon von einem kurzen Ausflug. Doch Vorwissen ist nicht notwendig, die Story beginnt neu. Kleine Gags und Hinweise auf On My Block erfreuen die Fans, aber wenn man sie übersieht, verpasst man auch nichts für die Story Relevantes.
Man darf also an der Hand von Gloria (Keyla Monterroso Mejia) einfach einsteigen. Sie hat zwei gute Freunde: die esoterisch veranlagte Demi (Ciera Riley Wilson) und den bisexuellen Cameron (Tenzing Norgay Trainor), der es einfach nicht über sich bringt, seinen Freund Andre (Zaire Adams) zu verlassen. Doch Gloria hat auch ein Problem und das kommt in Form ihrer Schwester Ines (Bryana Salaz) daher. Die beiden ähnlich alten Schwestern hatten einst dieselben Freunde, doch seit einiger Zeit entwickelt Ines sich zu einer fast unausstehlichen Bürde für alle. Los werden kann die verantwortungsbewusste Gloria sie trotzdem nicht... Auf dem Schulhof einen Kampf mit ihr austragen, der in einem genüsslich aus dem Mund gelassenen Speichelfaden mit sensiblem Ziel endet, das kann sie allerdings schon.
Nun steckt hinter Ines' Verhalten mehr, als Gloria zugeben möchte. Die beiden Schwestern haben ihre Mutter verloren, was immer noch von keinem in der Familie richtig verarbeitet wurde. Auch ihr Vater, der liebenswerte Javier (Jean Paul San Pedro) hängt weiter an seiner Frau. Auch wenn er versucht, mit einer neuen Freundin langsam wieder Fuß im Leben zu fassen...
Doch die Schwestern versuchen, ihn nicht zusätzlich mit ihren Problemen zu belasten, weswegen alle Anrufe der Schule aufs Handy ihres Onkels Tío Tonio (J. R. Villareal) gehen, der dann beim Direktor als Dad aufschlägt. Wenn er seine Nichten nicht gerade aus ihrem Ärger befreien muss, entwickelt Tonio neue Geschäftsideen, mit denen er möglichst schnell und unaufwändig reich werden will.
In diesen Alltag platzt auf einem Gartenverkauf eine Schatulle mit Initialen, die Cameron zunächst nutzen will, um seinen Freund zu vergraulen. Doch, als eine alte Frau mehrfach nach der Schachtel fragt und sie kaufen will und der Gang deswegen sogar bis zu deren Haus folgt, wird ihnen klar, dass es sich um mehr als alten Kram handelt... Demi weiß direkt, dass die Clique nun verhext ist. Doch es braucht noch ein paar Schicksalsschläge, bis Gloria und die anderen von dem Fluch überzeugt sind.
Wie kommt es rüber?
Die Pilotepisode der Serie Freeridge legt das episodenübergreifende Abenteuer an: Der Fluch muss gestoppt werden, die Freunde müssen zusammenhalten und ihn umkehren, sonst könnte das tödliche Folgen haben. An die Stelle der Armutsbeleuchtung der Mutterserie tritt nun eine übersinnliche Ebene. Statt das Drama der von Verzweiflung geprägten Nachbarschaft im Fokus zu lassen, verlegen die Serienmacher:innen das Augenmerk für die neue Serie auf den Alltag als Teenager.
Viel Geld haben auch Gloria und ihre Freunde nicht, aber in eine Gang sind sie bisher deswegen auch noch nicht gezogen worden. Es geht um die familiären Verstrickungen und Probleme, die Frage danach, woher man weiß, wer zu einem passt, freundschaftlich und auch in Fragen der Liebe. Dabei ist das Leben der Gang alles andere als idyllisch. Der Tod der Mutter hat eine tiefe Wunde in die Seelen der Schwestern gerissen. Doch, als der Fluch zuschlägt, halten die vier Freunde zusammen.
Schon in der Pilotepisode beweist die neue Serie einen ähnlich charmant-liebenswerten Erzählton wie die Mutterserie und dürfte damit „OMB“-Fans durchaus erfreuen. Sie zeigt aber auch die alten Schwächen leider mehr als deutlich... Schon die Vorgängerserie hat sich in der richtigen Mischung aus Comedy und Drama stets stark gezeigt, doch hin und wieder nehmen die Drehbuch-Autor:innen - damals wie heute - gerne eine Abkürzung und brechen so eine entscheidende Veränderung oder eine neue Entwicklung auf ein Grundgerüst herunter, das man nicht mal einer Sitcom wirklich durchgehen lassen kann.
Das betrifft vor allem vieles rund um den Fluch. Doch der ist ohnehin nicht das stärkste Verkaufsargument der Show. Im Gegenteil: Die Story um den Fluch kann man als notwendigen Treiber der Geschichte zwar hinnehmen, aber richtig stark ist die Serie, wenn sie aus dem Alltag der Teenies erzählt. Die Charakterbildung ist schon in der Pilotepisode vorbildlich. Die Lorbeeren dafür dürfen sich Autor:innen und Schauspieler:innen teilen.
Am schönsten für alle Fans von On My Block ist natürlich die Rückkehr in die Welt von Freeridge. Und das ist weniger an Figuren festgemacht als an der charmanten Erzählweise, mit der die Serienschaffenden eine unterhaltsame Welt mit Ecken und Kanten ebenso wie mit liebenswerten Wolken geschaffen haben.