Die Pilotepisode zur Fernsehserie Charlie's Angels zeigt, wie ein neues Team für die Agentur des geheimnisvollen Charlie Townsend sich zusammen findet. Die Handlung läuft vor dem Hintergrund von Ermittlungen gegen einen Menschenhändlerring ab, der sich auf den Handel mit jungen Mädchen spezialisiert hat.
Die neue ABC-Serie Charlie's Angels handelt von einem mysteriös bleibenden Mann, der eine Agentur mit drei weiblichen Angestellten unterhält, die unter der Betreuung des Hackers Bosley für Gerechtigkeit sorgen. Dabei sind die drei Damen natürlich nicht nur schön und wortgewandt, sondern haben auch einige Sonderfertigkeiten auf dem Kasten und eine besondere Gemeinsamkeit: Sie haben sich einst von der „dunklen Seite“ einfangen lassen und versuchen, sich in Charlies Diensten zu bewähren und von ihrer alten Schuld reinzuwaschen.
Handlung
Mit einer actionreichen Befreiungsaktion beginnt die Pilotepisode: Mit Geschick und Technik - und einem Satelliten, der seitlich in Häuser schauen kann - geht es los. Ein 16-jähriges Mädchen, das von zu Hause ausgerissen war, ist Menschenhändlern in die Hände gefallen. Es wird von den drei Engeln befreit.
Doch es bleibt keine Zeit, den Erfolg zu feiern: Kurz darauf fällt ein Engel einer Autobombe zum Opfer. Auf der Suche nach dem Schuldigen stolpern die verbliebenen Engel über eine alte Freundin ihrer gefallenen Schwester. Gemeinsam enthüllen die drei, dass ihr jüngster Fall eine Verbindung zum Vorleben ihrer „Schwester“ hatte.
Wiederum mit Geschick gelingt es ihnen, den Gangster zu Fall zu bringen. Und sie rekrutieren einen neuen dritten Engel.
Schön bunt
Der Serienpilot zu Charlie's Angels ist prinzipiell leichtes, gedankenloses Popcornkino. Die Ausstattung ist schön farbenfroh. Die Protagonistinnen natürlich leicht bekleidet - immerhin spielt die Serie in Miami. Es gibt Böses auf der Welt - wobei wir aber nicht zu genau hinsehen wollen, denn das würde die Stimmung drücken, dem rechtschaffene Menschen entgegentreten und es in die Schranken weisen. Alles möglichst begleitet von markigen one-linern. So weit, so gut.
Das Problem: Mit Charlie's Angels befinden wir uns nicht im Kino, wo wir uns im Zweifelsfall dann eben mit dem Sitznachbarn beschäftigen können, sondern in einer Fernsehserie, die wir auch nächste Woche wieder aus der Programmvielfalt auswählen sollen. Und Charlie's Angels ist halt keine Sommerserie, der man solch eine Oberflächlichkeit verzeiht. Andererseits muss man, bei allen folgenden Kritikpunkten, festhalten, dass die Serie im Kern nicht schlechter ist, als andere Formate mit ähnlicher Prämisse. Nämlich der, dass da draußen irgendwo rechtschaffene Menschen sind, die gegen das Unrecht kämpfen und sich dabei wenig um die Gesetze scheren. Nur sind die Engel und ihr Zielpublikum eben weiblich, weswegen die Macher die Serie deutlich farbenfroher gestaltet haben.
Warum ausgerechent Gloria?
Eines der größeren Probleme von Charlie's Angels: Die Hauptfiguren sind nicht sympathisch. Sie bleiben im Serienpiloten glatt. Insbesondere, als Gloria Opfer eines Sprengstoffanschlags wird, kommt der Dialog der Überlebenden recht phrasenhaft daher.
Überhaupt: Schon von der Einführung her war Gloria die einzige wirklich sympathische. Sie hatte sich für ihre Zeit als Autodiebin selbst geläutert, indem sie den Streitkräften ihres Landes diente und dort wegen eines „tragischen Irrtums“ ausgemustert wurde. Zudem erscheint eine Serie mit My Name is Earl-Darstellerin Nadine Valasquez (Gloria) reizvoller als mit den verbliebenen Hauptdarstellerinnen.
Nicht sympathisch
Abigail „Abby“ Sampson (Rachael Taylor) kam aus reichen Verhältnissen, aber als ihr Vater als Betrüger aufflog, wandte sie sich selbst dem Kunstraub zu. Kate Prince (Annie Ilonzeh) war ein Detective und wurde nicht nur korrupt, sondern hatte auch noch mit Drogen zu tun. Und sie hat auch heute noch keine Probleme, ihren weiterhin bei der Polizei tätigen Ex-Verlobten zu schikanieren. John „Boss“ Bosley (Ramon Rodriguez) ist ein kluger junger Mann, der sich der Computerkriminalität hingegeben hat. Ihm kann man wenigstens zu Gute halten, dass er prinzipiell jedem seiner Opfer nur einen Penny geklaut hat.
Was im Serienpiloten eindeutig gefehlt hat, war ein genauerer Blick darauf, wie diese drei zur Townsend Agency gekommen sind: Für alle drei wurde angedeutet, dass sie bei ihren Untaten erwischt worden waren. Unklar ist aber, ob sie dafür eine (Gefängnis-)Strafe verbüßt hatten oder, ob Charlie sie davor bewahrt hat. Zumindest Bosley deutet am Ende der Episode an, dass er die Wahl hatte, 20 Jahre ins Gefängnis zu gehen oder sich Charlie anzuschließen. Wer würde nicht eine „zweite Chance“ annehmen, wenn die Alternative „gehe direkt ins Gefängnis“ lautet? Und in Diensten von Charlie leben die Engel und Bosley ja scheinbar auch in Saus und Braus.
Auch für Charlie bereitet der Tod seiner Angestellten übrigens ein Sympathieproblem - auch wenn die Stimme von Victor Garber spätestens seit Alias alle Sympathiepunkte hat und der Mann nach Meinung dieses Rezensenten ein Vermögen mit der Vertonung von Gute-Nacht-Geschichten als Hörbüchern verdienen könnte. Aber sich selbst beim Tod einer seiner geschätzen Mitarbeiterinnen hinter seinem Lautsprecher zu verstecken, macht ihn kaltherzig und unsympathisch.
Zu weichgespült
In der heutigen Serienwelt wird es schwierig sein, mit der doch sehr oberflächlich bleibenden Serie Fuß zu fasssen. Ja, Charlie's Angels ist für einen Sendeplatz um 20 Uhr konzipiert, soll also Familienfernsehen sein. Da ist es sicherlich eine bewusste Entscheidung gewesen, in Sachen Menschenhandel mit jungen Frauen nicht zu viel Realismus zu zeigen. Aber dieses Konzept dürfte nicht nur mich zu der Meinung bringen, dass die Serie dann dauerhaft nicht mein Interesse wert sein wird.
Zudem ist Charlie's Angels stärker als andere Crimeformate auf eher urbane, weibliche Zuschauer ausgerichtet - da muss es schon modisch und farbenfroh sein. Es war nie störend, wenn zum Beispiel Sydney Bristow in Alias schöne Kostümchen hatte und die auch mehrere Male pro Episode wechselte. Aber für diesen Rezensenten - einen ausgemachten Modemuffel - ist das Model-Trio dann doch ein bisschen nervig. Zu viel „Erzählzeit“ der Episode wird darauf verwendet, die Optik ins Bild zu setzen anstatt die Handlung.
Die Sache mit der „Gerechtigkeit”
Aus deutscher Sicht sicherlich ein weiterer, typischer Kritikpunkt an vielen amerikanischen Serien und so auch an Charlie's Angels: die Sache mit dem „Der Zweck heiligt die Mittel“. Viele Amerikaner sehnen sich nach einem Gefühl von Sicherheit. Die einen flüchten sich in die Fantasie, dass dort draußen rechtschaffene Polizeibeamte das Böse in Schach halten und schauen die Werke des „Law & Order“- oder „CSI“-Franchises.
Die anderen sehen gerade in den „Fehlern“ des Rechtssystems das Problem, dass vielen „offensichtlich“ Schuldigen Straffreiheit ermöglicht wird, weil diese die an Regeln gebundene Polizei austricksen oder mit cleveren Anwälten vor Gericht der „gerechten Strafe“ entkommen können. Diese Zuschauer wenden sich Formaten wie eben den Engeln, Dexter oder Person of Interest zu, wo rechtschaffene Menschen in der Tradition von Robin Hood und Zorro den Kampf für die „Gerechtigkeit“ in die eigenen Hände nehmen. „I don't need evidence - just certainty“ heißt es bei Charlie's Angels.
Kleinigkeiten
Daneben gibt es noch eine leider große Anzahl von Kleinigkeiten, die im Gesamtbild eher störend sind. Wie bereits angerissen, bestehen die Dialoge eher aus Plattitüden - was sind schon Leben und Tod, wenn man der „Neuen“ verklickern muss, dass man sich unweigerlich ihre Schuhe ausleihen wird?
Während diverse Stunts im Serienpiloten nett anzusehen sind - das zerballerte Boot, die Autosequenz am Ende - greift in der Episode doch die Darstellung überhand, dass eher schmächtige Damen es im Nahkampf allein kraftmäßig mit doppelt und dreifach so schweren Brocken von Männern aufnehmen können. Da hätte man den Engeln doch lieber eine trickreichere Kampfweise zugestehen sollen, um dem kritischen Zuschauer wenigstens die Möglichkeit zu lassen, sich die Nahkämpfe plausibel zu denken.
Daneben wird die Engelsmetapher im Serienpiloten deutlich überstrapaziert.
Überflüssiges Remake?
Leider muss man in die Vorabkritik einstimmen: Als Remake ist die Serie recht überflüssig. Im Original aus den 1970er Jahren wurde der Serie zu Gute gehalten, dass sie ein positives Beispiel für die Gleichberechtigung der Frau war. Denn sie erkannte an, dass Frauen in dem „Männerberuf“ Polizei bestehen können - „Natürlich“, würden wir heute anfügen.
Das Remake jedoch zeigt Folgendes: Drei Frauen, die von einem (vermutlich) alten Mann durch die Gegend gescheucht werden, der ihnen nicht einmal den Respekt erweist, sich ihnen zu zeigen - ob er deshalb nur Angestellte auswählt, die auf jemanden angewiesen sind, der ihnen eine zweite Chance gibt? Der ihnen die Spielregeln vorgibt - jenseits des Gesetzes, also der allgemeinen Spielregeln, aber eben auch nicht unbeschränkt?
Fazit
Mit dem abschließenden Fazit landen wir wieder, wo wir eigentlich schon angefangen hatten: Charlie's Angels ist Popcornkino - Eskapismus pur, also leichte Unterhaltung, die die Seele nicht allzu sehr belastet.
Unter den bisherigen Serienpiloten dieses Jahres lässt die Serie in Sachen „ordentliche Einführung“ wohl am meisten zu wünschen übrig. Denn obwohl es sich bei der Pilotepisode schon um eine klassische „Origin“-Geschichte handelt - wir erleben die Bildung eines neuen Engel-Teams - mangelt es doch gehörig an Vorgeschichte. Und dieser Mangel führt mit dazu, dass die Hauptfiguren - die Helden der Serie - sich für den Zuschauer nicht zu Sympathieträgern entwickeln. Eine schwere Hypothek für eine Serie.