Die Beziehung zwischen den beiden ist mittlerweile problematisch und verschlechtert sich, als Eve einen neuen Klienten annimmt, der für kontroverse Diskussionen sorgt. Es handelt sich nämlich um einen ehemaligen militärischen Anführer, der einst gegen den Völkermord in Ruanda ankämpfte und nun für seine Taten vor Gericht steht. Und Eve übernimmt die Anklage vor dem internationalen Gerichtshof.
Mit hochwertigen Fernsehdramen wie The Shadow Line und The Honourable Woman etablierte sich der Peabody-prämierte Drehbuchautor Hugo Blick als eine der wichtigsten Stimmen der britischen Unterhaltungsindustrie. Blick scheut sich nicht vor schwierigen Themen, sondern sucht geradezu nach diesen, um sie kompromisslos und gleichzeitig verantwortungsvoll zu zerlegen. In seinem neuen BBC-Format Black Earth Rising geht es nun um den Völkermord in Ruanda von 1994 sowie um den Stellenwert der Vereinten Nationen und des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Dem potentiellen Zuschauer sollte also klar sein: Diese Serie ist nicht da, um sie mal eben nebenbei zu schauen...
Acht Episoden hat die britische Rundfunkanstalt zunächst bestellt. Den internationalen Vertrieb der äußerst sehenswerten, wenn auch für die meisten wohl eher unzugänglichen Serie übernimmt der Streamingservice Netflix. Gestern Abend lief beim Sender BBC Two die Pilotepisode von Black Earth Rising, die den Titel In Other News trägt. Von Beginn an deutlich wird der hohe Anspruch, den Blick an sich selbst und sein Werk legt. Herausragend sind die geschliffenen Dialoge und das erstklassige Schauspielensemble, angeführt von John Goodman (Roseanne), Harriet Walter (Law & Order: UK, Succession) und Michaela Coel (Chewing Gum), die als Hauptdarstellerin beweist, wie gut sie neben Comedy auch Drama spielen kann.
Der selbstgerechte Paternalismus des Westens
Black Earth Rising beginnt mit einer der stärksten Eröffnungsszenen seit der großen Wutrede von Will McAvoy (Jeff Daniels) in Aaron Sorkins The Newsroom. Die Topanwältin Eve Ashby (Walter) lässt sich in einer Q-&-A-Session zu ihrer Tätigkeit als Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs interviewen. Als ein junger Mann afrikanischer Abstammung hinterfragt, wie sie stolz auf ihre Arbeit sein könne, da der ICC im Prinzip nur eine Erweiterung der arroganten Kolonialherrschaft Europas sei, ist die taffe Juristin kurz sprachlos. Es könne kein Zufall sein, dass am Gericht fast ausschließlich afrikanische Straftaten verhandelt würden, meint der Mann, und afrikanische Probleme verdienten afrikanische Lösungen statt einer weiteren Bevormundung des Westens. Als einzige Verteidigung verweist Eve auf ihre afrikanische Adoptivtochter Kate (Coel)...
So schlecht die Anwältin in dieser ersten Szene auch wegkommt, Blick gewährt Eve und uns dennoch eine zweite Chance für den ersten Eindruck. Tatsächlich ist sie kein schlechter Mensch, auch wenn vieles, was der junge Mann ihr vorwirft, durchaus zutrifft. Doch Eve glaubt fest daran, dass die internationale Gemeinschaft - repräsentiert durch sie selbst - zumindest den Versuch unternehmen sollte, für Gerechtigkeit zu sorgen, unabhängig von der historischen Schuld des Westens. Besonders deutlich macht sie das, als sie von ihrem Chef und ältesten Freund Michael Ennis (Goodman) den Auftrag übernimmt, den afrikanischen General Simon Nyamoya (Danny Sapani) wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten im Kongo anzuklagen. Das Problem dabei: Nyamoya sorgte als Kriegsheld einst für das Ende des Genozids in Ruanda, dem Land, aus dem auch ihre adoptierte Tochter stammt, die als verfolgtes Tutsi-Kind vielleicht nur dank Nyamoya überlebte...
Blick gelingt mit dieser Prämisse eine vielversprechende Verschmelzung fiktiven Familiendramas mit historischer Aufarbeitung einer der schlimmsten Tragödien des späten 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich ist Kate enttäuscht von ihrer Mutter und kann nicht verstehen, wieso sie ausgerechnet dem Mann an den Kragen will, der die Mörder von fast einer Million Menschen stoppte, während die Vereinten Nationen wegschauten. Auch das Trauma der Blauhelmsoldaten, die im April 1994, als der Völkermord der Hutus an den Tutsis begann, katastrophal versagten, wird in Black Earth Rising thematisiert. Major Bouchard (Nigel Whitmey) aus Kanada sucht im Kongo nach den damaligen Tätern, doch er und seine Männer versagen erneut.
Der Regisseur und Autor Blick beschönigt nichts, weshalb sich Black Earth Rising teilweise wie eine Abrechnung mit dem Westen anfühlt. Gleichzeitig ist sich der Serienmacher aber auch der Tatsache bewusst, dass es bei komplexen politischen Konflikten oftmals keine einfachen Bösewichte gibt. Ein „böser" Mann wie Nyamoya kann beispielsweise etwas sehr, sehr Gutes tun und muss für andere Straftaten dennoch geradestehen. Doch wer könnte von einem einstigen Opfer wie Kate verlangen, nach der Ermordung ihrer gesamten Familie sachlich zu bleiben? Wichtig ist auf alle Fälle, dass nichts vergessen wird, selbst nachdem das letzte Urteil gesprochen wurde. Und auch das muss man Blick hoch anrechnen, denn allzu viel Aufmerksamkeit erhält Ruanda mehr als 20 Jahre später schließlich nicht mehr.
Fazit
Für politisch und historisch interessierte Zuschauer ist Black Earth Rising sicherlich genau das Richtige. Wer nicht bereit ist, sich auf ein derart schweres Thema einzulassen, sollte es am besten gar nicht erst versuchen. Trotzdem ist es wichtig, dass Serienmacher wie Hugo Blick Themen wie den Völkermord in Ruanda so sensibel aufarbeiten - auch wenn man sich als Deutscher fast schon schämen muss, dass für solche Stoffe erst die BBC antreten muss, denn eigentlich ist die historische Schuld am Unglück in Ruanda vor allem auf die perverse Rassenideologie des Wilhelminischen Kaiserreichs zurückzuführen, das das Land im Herzen Afrikas einst zu seiner Kolonie erklärte.
Was die Qualität der Serie selbst betrifft, lässt sich nach der ersten Episode mit dem Titel In Other News eindeutig feststellen, dass Blick und Kollegen hohe Ambitionen an den Tag legen. Besonders exzellent sind die Dialoge. Eine Kostprobe gefällig? Eve: „Was dich nicht umbringt...“ Kate: „... wartet auf die nächste Chance.“ Zwei simple Zeilen, in denen so viel Subtext steckt. Und so großartig Goodman und Walter als Routiniers auch aufspielen, besonders beeindruckend ist die Darbietung von Coel, die mit ihrer ausdrucksstarken Mimik bereits zu Beginn für emotionale Höhepunkte sorgt. Bei alledem ist es fast schon überflüssig, zu erwähnen, dass Black Earth Rising auch visuell ganz oben mitspielen kann.
Der offizielle Trailer zur BBC-Serie „Black Earth Rising":