• Serie
• Stream
• Darsteller
• Episodenguide
• Reviews
• Shop
• Poster

Am Anfang war sie diese seltsam schrullige Vorstadtehefrau, verwitwet und verzweifelt, die keinen anderen Weg sieht, ihre Familie zu ernähren, als Drogen zu verkaufen. Das ist lange her. Seither hat Nancy Botwin (Mary-Louise Parker) den Wahnsinn, der ihr Leben ist, auf immer neue Höhepunkte getrieben, zum Teil bis zur äußersten Schmerzgrenze des Publikums. Doch mit dem Finale der sechsten Staffel von Weeds ist den Machern ein kleiner Coup gelungen: die zuletzt immer lauter gewordene Kritik zu besänftigen und trotzdem klammheimlich doch noch einen draufzulegen.

Vor allem Staffel fünf versetzte das Publikum in Aufruhr, entlockte mehr als einem ehemaligen Fan ein resignierendes Urteil à la „jumped the shark“. Die Familie, die sie einst beschützen wollte, hat Nancy in immer größere Gefahr gebracht. Ihre Beziehung zu Esteban (Demián Bichir) wirkte forciert und Nancys Figur dadurch wie ein Schatten ihrer selbst. Immerhin zogen die Macher um Jenji Kohan Konsequenzen und radikalisierten Shanes (Alexander Gould) Verhalten so sehr, dass man darin fast eine moralische Lektion erkennen kann. Doch es brachte nichts.

Für die neue Staffel musste wieder ein Reboot her, und diesmal ist damit gleichzeitig die Rückkehr zu den Wurzeln gelungen. Die Familie ist auf der Flucht, doch Nancys Motive sind dabei das erste Mal seit Langem uneigennützig. Getrieben von der Sorge um Shane und ihren Neugeborenen Stevie nimmt sie zu Beginn der Season die Beine unter den Arm und führt das Publikum von Weeds auf eine abstruse Reise quer durch die USA. Mit dem Hin und Her und den ständig neu eingeführten Charakteren blieb die Serie dabei den vorherigen Staffeln treu.

Gleichzeitig hat Nancy alias Natalie von vorne begonnen, was ihr eigentliches Geschäft angeht. Die verschiedensten Szenen, in denen Andy und sie neuen Stoff besorgen oder verrückte Deals aushandeln, erinnerten zum Teil stark an die Anfänge mit Heylia. Vor allem aber die mütterliche Fürsorge, das war wieder die Nancy, der man zu Beginn vor fünf Jahren ihre „kleinen Deals unter Nachbarn“ noch gerne verzieh.

© Showtime

Die Episode Theoretical Love Is Not Dead bildet auch insofern eine schöne Klammer zu den früheren Folgen der Serie, als dass wir ungeschminkte Gefühle zu sehen bekommen. Nancy schreien zu hören, wie in Estebans Kofferraum, ist wahrlich selten. Später richtet sie ungewöhnliche letzte Worte an Silas (Hunter Parrish): [I pick Stevie, he's fresh, you're cooked.] Und in typisch beiläufiger „Weeds“-Art antwortet er: „Please, when you kill her, just let us know, for closure.“ In diesen Worten liegt soviel mehr.

Doch während Silas schon öfter gefühlsduselig daherkam, zeigt am Ende auch Shane endlich die so schmerzlich vermisste Menschlichkeit. Alexander Goulds Gesichtsausdruck, als er den Abschied realisiert - unbezahlbar. Psycho-Shane war eine Weile ganz amüsant, jetzt wird es aber auch für eine bitterböse Comedy wie „Weeds“ Zeit, seine Probleme mal wieder von einem ernsthafteren Standpunkt wahrzunehmen.

© Showtime

Wie das aussehen kann, ist ein Rätsel. In erster Linie deshalb, weil die Zukunft der Charaktere nie ungewisser war. Der ominöse Plan C, von dem in der finalen Episode die Rede ist, heißt also: Andys Anrufe, über die Shane sich noch wunderte, galten dem FBI. Nancy nimmt die Schuld für Pilars Tod auf sich und damit den Rest ihrer Familie rechtlich zunächst aus der Schusslinie.

Sehen wir sie in der kommenden Staffel im Gefängnis, während die anderen durch Kopenhagen schlendern? Wohl kaum. Wird sie also etwas aushandeln, um Esteban und seine mexikanische Mafia ans Messer zu liefern und sich damit selbst befreien? Was wird mit Stevie passieren? Und müssen wir dann wieder auf geliebte Charaktere verzichten, so wie in dieser Staffel Celia? Man weiß es nicht.

Zugegeben: Elizabeth Perkins war immer ein wichtiger Teil des tollen Casts von Weeds, die gerade geendete Staffel hat aber auch erstaunlich gut ohne sie funktioniert. So wie wir einst recht schnell gelernt haben, auf Conrad zu verzichten. „Weeds“ hat zudem schon immer kreative Wege gefunden, alte Charaktere wieder einzubinden.

In dieser Staffel war das etwa Doug (Kevin Nealon), der irgendwie mitgeschleift wurde auf der bizarren Flucht der Botwins/Newmans; wir lernten so - eine weitere amüsante Idee - nach Jahren der namentlichen Erwähnung endlich dessen Ex-Frau Dana (Judith Hoag) kennen. Die Figur des Doug wurde in dieser Staffel noch gebrauch. Jene Episode machte uns durch wenige Sätze klar, wie verdammt verkorkst der Charakter doch ist und mit ihm die ganze Botwin-Bande.

Nicht erst mit dem Finale, sondern bereits in der gesamten sechsten Staffel ging es darum, eben dieser Verkorkstheit eine Zusammengehörigkeit zu entlocken. Mag ja sein, dass Shane ein Mörder, seine Mutter eine pathologische Egoistin und Onkel Andy zuverlässig unzuverlässig ist. Sie alle sind jedoch darin geeint, so eine Bande unglaublicher Versager zu sein. Ihr Zusammenhalt hat letztlich nichts mit Blut zu tun. Das hätte Weeds uns kaum schöner illustrieren können als durch Silas' Entschluss, mit nach Europa zu reisen, anstatt die sichere Variante ohne die Botwins zu wählen.

Das alles wohlgemerkt, obwohl die Reise der Familie nicht nur dem Zuschauer, sondern auch den Charakteren eine ganz neue Nancy gezeigt hat. Eine, die schon zu Schulzeiten promiskuitiv war, log und auf Kosten anderer Leute Frohsinn ihr Leben bestritt. Umso ein größeres Lob verdient der Autorenstab, diesen unglaublichen Bogen trotzdem geschlagen zu haben: von einer braven Vorstadtwitwe, die sehnsüchtig den amerikanischen Traum zu bewahren versucht, zu einer von viel intuitiveren Bedürfnissen wir der Unversehrtheit ihrer Familie getriebenen Frau, die sich am Ende selbst opfert. Chapeau!

Nancy Botwin wieder einmal ratlos © Showtime